Der Spieler
angeborene Liebenswürdigkeit, auf Ihren Geist und Ihr Taktgefühl … Sie werden dies selbstverständlich für eine Familie tun, die Sie wie einen Verwandten aufgenommen hat, in der Sie sich geliebt und geachtet fühlen durften …«
»Aber ich bitte Sie, man hat mich doch an die Luft gesetzt! Jetzt behaupten Sie zwar, das sei nur zum Schein geschehen; aber wenn man Ihnen sagte: ›Ich möchte dich, selbstverständlich, nicht an den Ohren ziehen, aber du mußt mir erlauben, dich zum Schein doch an den Ohren zu ziehen‹ … Ist das nicht beinahe dasselbe?«
»Wenn es sich so verhält, wenn Sie sich allen Bitten als unzugänglich erweisen«, begann er streng und von oben herab – »dann müssen Sie mir erlauben, Ihnen gewisse Maßnahmen anzukündigen. Hier gibt es eine Obrigkeit, und Sie werden heute noch ausgewiesen, que diable! Un blanc-bec comme vous nimmt sich heraus, eine solche Persönlichkeit wie den Baron zu einem Duell zu fordern! Und Sie bilden sich ein, man würde Sie unbehelligt lassen? Seien Sie versichert, daß niemand hier sich etwas aus Ihnen macht! Wenn ich Sie überhaupt um etwas gebeten habe, so geschah es nur in meinem eigenen Namen, weil Sie dem General auf die Nerven gehen. Und glauben Sie, glauben Sie allen Ernstes nicht, daß der Baron Sie durch einen Lakaien vor die Tür setzen läßt?«
»Aber ich werde ihn doch nicht persönlich aufsuchen«, entgegnete ich seelenruhig, »Sie irren sich, Monsieur des Grieux, alles das wird sich wesentlich taktvoller entwickeln, als Sie es sich vorstellen. Ich werde mich umgehend zu Mister Astley begeben und ihn bitten, mein Mittelsmann, kurz, mein second zu sein. Dieser Herr mag mich und wird meine Bitte gewiß nicht abschlagen. Er wird den Baron aufsuchen, und der Baron wird ihn empfangen. Wenn ich auch selbst un outchitel bin, subaltern erscheine und zu guter Letzt schutzlos dastehe, so ist Mister Astley der Neffe eines wirklichen Lords, das ist allen bekannt, der Neffe von Lord Peebroch, und dieser hält sich hier auf. Glauben Sie mir, der Baron wird Mister Astley höflich empfangen und anhören, und wenn er es nicht tut, wird Mister Astley dies als eine persönliche Kränkung empfinden (Sie wissen, wie hartnäckig die Engländer sein können) und dem Baron einen seiner Freunde schicken, und er hat gute Freunde. Machen Sie sich jetzt darauf gefaßt, daß die Sache möglicherweise nicht ganz so ausgehen wird, wie Sie glauben.«
Der Franzose bekam es mit der Angst zu tun. In der Tat, alles das schien der Wahrheit sehr nahe zu kommen, und es sah ganz so aus, als ob ich imstande wäre, ein ganzes Spektakel in Gang zu setzen.
»Aber ich bitte Sie«, begann er mit wirklich flehender Stimme, »lassen Sie es! Es scheint Ihnen angenehm zu sein, ein Spektakel inszenieren zu können! Sie wollen keine Satisfaktion, sondern ein Spektakel! Ich habe ja gesagt, das Ganze könnte amüsant, sogar geistreich und vielleicht auch der Zweck Ihrer Bemühungen sein, aber, mit einem Wort«, schloß er, als er sah, daß ich mich erhob und nach meinem Hut griff, »ich bin gekommen, um Ihnen ein paar Worte von einer Dame zu überreichen, lesen Sie – ich habe den Auftrag, auf Ihre Antwort zu warten.«
Hierauf zog er aus der Tasche einen kleinen gefalteten und versiegelten Zettel.
In Polinas Schrift war zu lesen:
Mir scheint, daß Sie gesonnen sind, dieses Spektakel fortzusetzen. Sie haben sich geärgert und schlagen nun wie ein Schulbube über die Stränge. Es liegen hier besondere Umstände vor, ich werde sie Ihnen vielleicht später erklären; aber Sie sollen, bitte, aufhören und sich zufriedengeben. Was sind das für Dummheiten! Ich brauche Sie, und Sie selbst haben versprochen, mir zu gehorchen. Denken Sie an den Schlangenberg. Ich bitte Sie, seien Sie folgsam, und wenn es sein muß, befehle ich es.
Ihre Polina.
P. S. Wenn Sie sich wegen gestern über mich ärgern, so vergeben Sie mir.
Alles drehte sich vor meinen Augen, nachdem ich diese Zeilen gelesen hatte. Meine Lippen wurden weiß, und ich zitterte am ganzen Leib. Der verdammte Franzose blickte mit betonter Diskretion zur Seite, als wolle er vermeiden, Zeuge meiner Verwirrung zu sein. Es wäre mir lieber gewesen, er hätte mich laut ausgelacht.
»Gut«, antwortete ich. »Richten Sie aus, Mademoiselle kann unbesorgt sein. Erlauben Sie mir jedoch die Frage«, fügte ich schroff hinzu, »warum Sie so lange gezögert haben, mir diesen Zettel auszuhändigen? Statt des unsinnigen Geschwätzes hätten Sie,
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