Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Spieler

Der Spieler

Titel: Der Spieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
Vom Netzwerk:
noch einmal unsere Kräfte messen, Mister Astley!” Nein, jetzt erinnere ich mich doch, ich war schon damals unsäglich traurig, auch wenn ich mit diesem Dummchen Blanche um die Wette gelacht habe.
    »Aber was willst du mehr! Wie dumm du bist! Oh, wie dumm du bist!« rief Blanche in einer Lachpause mit ernsthaftem Vorwurf. »Nun ja, nun ja, wir werden deine zweihunderttausend verprassen, mais dafür, dafür tu seras heureux, comme un petit roi , ich werde dir eigenhändig die Krawatte binden und dich mit Hortense bekannt machen. Und wenn wir unser ganzes Geld durchgebracht haben, wirst du hierherkommen und noch einmal die Bank sprengen. Was haben dir die Juden gesagt? Die Hauptsache ist der Mut, und den hast du, und du wirst mir noch mehr als einmal Geld nach Paris bringen. Quant à moi, je veux cinquante mille francs de rente et alors … «
    »Und der General?« fragte ich sie.
    »Und der General, das weißt du selbst, geht jedes Mal um diese Zeit aus, um mir das Bouquet zu besorgen. Diesmal habe ich absichtlich um besonders seltene Blumen gebeten. Der Ärmste kommt zurück, und das Vögelchen ist ausgeflogen. Er wird uns nachfliegen, du wirst sehen. Ha-ha-ha! Ich werde mich darüber sehr freuen. In Paris ist er gut zu gebrauchen; und hier wird Mister Astley seine Rechnung bezahlen …«
    Auf diese Art bin ich damals nach Paris abgereist.

Kapitel XVII
    Nun sind bereits ein ganzes Jahr und acht Monate vergangen, seit ich diese Aufzeichnung auch nur eines Blickes gewürdigt habe, und erst jetzt, in meinem Elend und meiner Sehnsucht nach Zerstreuung, habe ich sie überflogen. Damals bin ich bei meinem Vorsatz stehengeblieben, Homburg aufzusuchen. Mein Gott! Mit welch einem vergleichsweise leichten Herzen hatte ich diese letzten Zeilen damals niedergeschrieben! Das heißt, weniger mit leichtem Herzen – als vielmehr mit welcher Selbstsicherheit, mit welch unerschütterlichen Hoffnungen! Habe ich denn damals im geringsten an mir gezweifelt? Nun sind bereits mehr als eineinhalb Jahre vergangen, und ich bin schlimmer dran als ein Bettler! Aber was heißt Bettler! Was kümmert mich Armut! Ich habe mich schlicht und einfach zugrunde gerichtet! Übrigens gibt es dafür gar keine Worte, und es hat schon gar keinen Sinn, Moralpredigten zu halten! Es gibt nichts Absurderes als eine Moralpredigt in einem solchen Augenblick! Oh, ihr selbstzufriedenen Menschen: Mit welch stolzer Selbstzufriedenheit sind diese Schwätzer bereit, bei jeder Gelegenheit ihre Sentenzen vorzutragen! Wüßten sie, wie ich selbst hier das Widerwärtige meines jetzigen Zustandes erkenne, würde die Zunge ihnen den Dienst versagen, mich weiter zu belehren. Und was, was könnte sie mir Neues sagen, was ich nicht selber wüßte? Und geht es überhaupt darum? Eigentlich geht es darum, daß eine einzige Drehung des Rades alles verändern kann und daß dieselben Moralisten (dessen bin ich mir sicher) als erste mich mit freundschaftlichen Scherzen umringen und mir gratulieren werden, statt mir wie jetzt die kalte Schulter zu zeigen. Aber was gehen sie mich alle an! Was bin ich jetzt? Zéro. Was kann ich morgen sein? Morgen kann ich von den Toten auferstehen und ein neues Leben beginnen! Den Menschen in mir kann ich wiedererlangen, solange er noch nicht verloren ist!
    Ich war damals tatsächlich nach Homburg gefahren, war aber … anschließend auch wieder in Roulettenburg, in Spa … Ich war sogar in Baden-Baden, nämlich in meiner Eigenschaft als Kammerdiener des Herrn Hintze, eines Widerlings und meines damaligen deutschen Brotherrn. Jawohl, ich fungierte auch als Lakai, und zwar ganze fünf Monate! Das war unmittelbar nach dem Gefängnis. (Ich hatte wegen einer Schuld von zweihundert Talern in Roulettenburg im Gefängnis gesessen. Ein Unbekannter hat mich freigekauft – wer war das wohl? Mister Astley? Polina? Ich weiß es nicht. Aber meine Schuld wurde bezahlt – alles in allem zweihundert Taler –, und ich war frei.) Wohin mit mir? Darauf habe ich die Stelle bei diesem Hintze angenommen. Er ist jung, ein Windbeutel, ein Faulpelz, und ich spreche und schreibe drei Sprachen. Ich bin bei ihm zuerst als eine Art Privatsekretär angetreten, mit einem Gehalt von monatlich dreißig Gulden; aber zum Schluß war ich ein richtiger Diener: Das Gehalt eines Privatsekretärs überschritt seine Möglichkeiten, und er kürzte mein monatliches Salär; ich wußte aber immer noch nicht, wohin, ich blieb – und verwandelte mich auf diese Weise ganz von selbst

Weitere Kostenlose Bücher