Der Spieler
Astley, ohne eine Miene zu verziehen oder den Blick von mir abzuwenden.
»Dann ist sie tatsächlich bei Ihnen?«
»Oh, ja, bei mir.«
»Aber wie wollen Sie … haben Sie denn die Absicht, sie bei sich zu behalten?«
»Oh, ja. Ich habe diese Absicht.«
»Mister Astley, das wird zu einem Skandal führen; das geht nicht. Außerdem ist sie ernstlich krank; das haben Sie vielleicht gar nicht bemerkt?«
»Oh, ja, ich habe das bemerkt, und habe Ihnen bereits gesagt, daß sie krank ist. Wenn sie nicht krank wäre, hätte sie nicht die Nacht bei Ihnen verbracht.«
»Auch das wissen Sie?«
»Ich weiß das. Sie wollte gestern hierherkommen, und ich hätte sie zu meiner Verwandten begleitet, aber da sie krank war, verfehlte sie den Weg und kam zu Ihnen.«
»Man stelle sich das vor! Also, meine Gratulation, Mister Astley. Übrigens, Sie bringen mich auf eine Idee: Haben Sie nicht die ganze Nacht unter unserem Fenster verbracht? Miss Polina wünschte die ganze Nacht immer wieder, ich möge das Fenster öffnen und hinausspähen, ob Sie nicht unter dem Fenster ständen, und amüsierte sich dabei ganz fürchterlich.«
»Wirklich? Nein, ich habe nicht unter dem Fenster gestanden; aber ich habe im Korridor gewartet und bin ums Hotel gelaufen.«
»Aber sie muß behandelt werden, Mister Astley.«
»Oh, ja, ich habe bereits einen Arzt kommen lassen, und wenn sie stirbt, werde ich von Ihnen Rechenschaft verlangen.«
Ich war erstaunt:
»Ich bitte Sie, Mister Astley, wie stellen Sie sich das vor?«
»Und ist das wahr, daß Sie gestern zweihunderttausend Taler gewonnen haben?«
»Nur hunderttausend Florin.«
»Na also! Dann fahren Sie doch heute vormittag nach Paris!«
»Wozu?«
»Alle Russen, die Geld haben, reisen nach Paris«, erklärte Mister Astley mit einer Stimme und in einem Tonfall, als läse er aus einem Buch.
»Was soll ich jetzt, im Sommer, in Paris? Ich liebe sie, Mister Astley! Das wissen Sie doch.«
»Wirklich? Ich bin überzeugt, daß es nicht stimmt. Außerdem werden Sie, sollten Sie hierbleiben, bestimmt alles verspielen und gar nichts mehr haben, womit Sie nach Paris reisen können. Leben Sie wohl, ich bin fest überzeugt, daß Sie heute nach Paris abreisen.«
»Meinetwegen, leben Sie wohl, aber nach Paris werde ich bestimmt nicht reisen. Überlegen Sie doch, Mister Astley, was jetzt aus uns werden soll! Der General, kurz gesagt, ist … und jetzt noch das Abenteuer mit Miss Polina – das wird doch ein einziges Stadtgespräch.«
»Oh, ja, ein einziges Stadtgespräch. Aber der General macht sich darüber keine Gedanken, wie mir scheint, er hat andere Sorgen. Außerdem hat Miss Polina das volle Recht, dort zu wohnen, wo sie wünscht. Und was diese Familie betrifft, so kann man zutreffend sagen, daß diese Familie nicht mehr existiert.«
Ich ging und grinste über die merkwürdige Sicherheit dieses Engländers, daß ich nach Paris reisen würde. “Allerdings hat er vor, mich im Duell niederzuknallen, falls Mademoiselle Polina stirbt”, dachte ich, “eine schöne Bescherung!” Ich schwöre, daß ich Polina bedauerte, aber seltsam, seit jenem Augenblick, da ich gestern an den Spieltisch trat und die Banknoten sich bündelweise um mich häuften, schien meine Liebe gleichsam in den Hintergrund zu treten. Das kann ich jetzt sagen; aber damals bemerkte ich es noch nicht mit aller Deutlichkeit. Sollte ich in der Tat ein Spieler sein, sollte ich in der Tat … Polina so eigentümlich geliebt haben? Nein, ich liebe sie heute noch, weiß Gott! Und damals, als ich Mister Astley verließ und in mein Zimmer zurückging, litt ich aufrichtig und machte mir die größten Vorwürfe. Aber … aber da wurde ich von einem außerordentlich seltsamen und dummen Zufall erfaßt.
Ich eilte zum General, als plötzlich eine Tür in der Nähe seines Appartements geöffnet und ich beim Namen gerufen wurde. Es war Madame la veuve de Cominges, die mich auf Wunsch von Mademoiselle Blanche ansprach. Ich betrat das Appartement von Mademoiselle Blanche.
Die beiden bewohnten ein kleines Appartement, bestehend aus zwei Zimmern. Man hörte das Lachen und die Stimme von Mademoiselle Blanche aus ihrem Schlafzimmer. Sie schickte sich offenbar an, das Bett zu verlassen.
» Ah, c’est lui! Viens donc, bêta! Ist das wahr, que tu as gagné une montagne d’or et d’argent? J’aimerais mieux l’or. «
»Es ist wahr«, antwortete ich lachend.
»Wieviel?«
»Hunderttausend Florin.«
» Bibi, comme tu es bête . Aber herein, komm
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