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Der Spieler

Der Spieler

Titel: Der Spieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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du es dir anders überlegt, ha-ha-ha! Vielleicht bedauerst du es inzwischen?«
    Die fünfundzwanzigtausend Florin lagen seit gestern abend abgezählt auf dem Tisch; ich nahm sie und reichte sie ihr.
    »Inzwischen gehören sie mir? Nicht wahr? Das stimmt doch?« fragte sie boshaft mit dem Geld in der Hand.
    »Aber es gehörte schon immer dir«, sagte ich.
    »Also, hier hast du deine fünfzigtausend!« Sie holte aus und schleuderte sie mir ins Gesicht. Das Bündel traf mich schmerzhaft, und die Scheine flatterten auf den Boden. Darauf stürzte Polina aus dem Zimmer.
    Ich weiß, sie war in diesem Augenblick zweifellos nicht bei sich, auch wenn ich dieses zeitweilige Irresein nicht nachvollziehen kann. Freilich, sie ist auch jetzt, nach einem ganzen Monat, immer noch krank. Aber was war der eigentliche Grund dieses Zustands und vor allem dieses Ausfalls? Gekränkter Stolz? Oder Verzweiflung darüber, daß sie bereit gewesen war, sogar mich aufzusuchen? Oder sollte ich den Eindruck erweckt haben, daß ich mich mit meinem Glück brüste, ebenso wie des Grieux, und ebenso wie des Grieux mich von ihr mit dem Geschenk von fünfzigtausend Francs loskaufe? Aber das war nicht der Fall, ich schwöre es bei meinem Gewissen. Ich denke, es lag zum Teil auch an ihrem Hochmut: Ihr Hochmut hatte ihr eingeflüstert, an mir zu zweifeln und mich zu kränken, auch wenn ihr selbst die Zusammenhänge vielleicht nicht ganz klar waren. In diesem Fall hätte ich, vielleicht, für des Grieux geradegestanden, und meine eigene Schuld wäre nicht besonders groß gewesen. Freilich, das Ganze war nur eine Art Fieberwahn; freilich, ich habe auch gewußt, daß es ein Fieberwahn war und … und habe diesen Umstand nicht berücksichtigt. Vielleicht kann sie auch heute noch gerade dies nicht verzeihen? Ja, heute, aber damals, damals? Damals waren doch der Fieberwahn und ihre Krankheit nicht so überwältigend, daß sie nicht völlig vergessen konnte, was sie tat, indem sie zu mir kam, mit dem Brief von des Grieux? Folglich hatte sie gewußt, was sie tat.
    Irgendwie, flüchtig, steckte ich meine Banknoten und den Goldhaufen in mein Bett, deckte alles zu und folgte ungefähr zehn Minuten später Polina. Ich war überzeugt, daß sie in ihr Zimmer zurückgekehrt war, und wollte mich möglichst unauffällig bei der Kinderfrau im Vorraum nach dem Befinden des Fräuleins erkundigen. Aber wie groß war meine Verblüffung, als ich die Kinderfrau bereits im Treppenhaus traf und von ihr erfuhr, daß Polina noch nicht zurückgekehrt war und daß die Kinderfrau sich auf dem Wege zu mir befand, um sie abzuholen.
    »Aber sie hat mich gerade eben verlassen«, sagte ich. »Vor höchstens zehn Minuten, wo könnte sie sein?«
    Die Kinderfrau sah mich vorwurfsvoll an.
    Unterdessen hatte sich eine ganze Geschichte abgespielt, die bereits überall im Hotel kursierte. Beim Portier und beim Oberkellner wurde geflüstert, daß das »Fräulein« in aller Frühe, etwa um sechs Uhr morgens, aus dem Hotel gestürzt und im Regen in Richtung Hotel d’Angleterre weitergelaufen sei. Ihren Worten und Anspielungen konnte ich entnehmen, daß sie bereits wußten, daß sie die Nacht in meinem Zimmer verbracht hatte. Übrigens redete man über die ganze Familie des Generals: Es war bekannt, daß der General außer sich geraten sei und dermaßen geschluchzt habe, daß es im ganzen Hotel zu hören war. Es wurde ebenfalls erzählt, daß die abgereiste alte Dame seine Mutter sei, die sich aus Rußland auf den weiten Weg gemacht habe, um ihrem Sohn die Eheschließung mit Mademoiselle de Cominges ausdrücklich zu verbieten und ihn im Falle seines Ungehorsams zu enterben, und da er sich tatsächlich als ungehorsam gezeigt hätte, hätte es der Gräfin gefallen, vor seinen Augen mit vollstem Bedacht ihr gesamtes Vermögen zu verspielen und ihm keinen Heller übrigzulassen. »Diese Russen!« wiederholte der Oberkellner empört und schüttelte den Kopf. Andere lachten. Der Oberkellner schrieb die Rechnung. Von meinem Gewinn war man auch schon unterrichtet; Karl, der Diener auf unserem Stockwerk, gratulierte mir als erster. Aber ich hatte anderes im Kopf. Ich eilte ins Hotel d’Angleterre.
    Es war noch früh am Morgen; Mister Astley war für niemand zu sprechen; als er jedoch hörte, daß ich es sei, trat er hinaus in den Korridor, blieb vor mir stehen, fixierte mich mit seinem bleiernen Blick und wartete: Was hätte ich zu sagen? Ich fragte sofort nach Polina.
    »Sie ist krank«, antwortete Mister

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