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Der Spinnenkrieg

Der Spinnenkrieg

Titel: Der Spinnenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schlecht aussah, wie sie sich fühlte, überraschte sie nicht einmal besonders, aber was sie schockierte, war ihr Haar. Sie hatte eine graue Strähne bekommen. Eine Zeitlang musterte sie ihr eigenes Spiegelbild mißmutig, dann streckte sie ihm die Zunge heraus, drehte sich herum und verließ das Bad. Die Kleider, die sie bei ihrer Rückkehr getragen hatte, waren ebenso verschwunden wie der improvisierte Raumanzug und ihre Waffen, aber dafür fand sie etwas, dessen Anblick sie ebenso überraschte, wie es sie mit einer fast kindlichen Freude erfüllte: Auf einem Stuhl neben ihrem Bett lag säuberlich zusammengefaltet eine dunkelblaue Uniform der Space Force, in der richtigen Größe, mit korrekten Rangabzeichen und sogar einem winzigen Namensschildchen, auf dem: ›Laird, C. Cptn‹ zu lesen stand. Leider war der Waffengurt leer, und jemand hatte sich die Mühe gemacht, die winzige Atombatterie aus dem Körperschild-Generator auszubauen. Sie zog sich an, eilte ins Bad zurück und gönnte sich für einige Augenblicke das Vergnügen, sich selbst im Spiegel zu betrachten. Ihr bleiches Gesicht, die Ringe unter den Augen und die graue Strähne im Haar störten den Gesamteindruck ein wenig, aber alles in allem sah sie für eine eigentlich sechsundachtzigjährige Frau nicht schlecht aus. Als sie den Raum verlassen wollte, erlebte sie die zweite unangenehme Überraschung des Tages: Die Tür ließ sich nicht öffnen. Charity drückte ein halbes Dutzend Mal mit wachsendem Zorn auf den Knopf, ehe sie sich eingestand, daß der Mechanismus elektronisch gesperrt war. Nicht defekt – die Standby-Lampe brannte in beruhigendem Grün. »Verdammt, was soll das?« sagte sie verärgert. Mit einem Ruck fuhr sie herum, trat an das Interkom-Gerät neben der Tür und drückte den Rufknopf. Der Bildschirm leuchtete so prompt auf, als hätte jemand am anderen Ende nur darauf gewartet, daß sie sich meldete, und die ausdruckslosen Facettenaugen einer Ameise starrten sie an. Eine halbe Sekunde lang war Charity gelähmt vor Schrecken – obwohl sie nach allem, was geschehen war, eigentlich mit diesem Augenblick hätte rechnen müssen. Erst dann fragte sie unsicher: »Kias?« Die Ameise versuchte ein menschliches Kopfschütteln zustande zu bringen. »Mein Name ist Tipa, Captain Laird«, sagte sie. »Die Ihnen unter dem Namen Kias bekannte Jared-Einheit befindet sich zur Zeit nicht in der Kommandozentrale.« »Ich möchte mit Kias sprechen«, verlangte Charity. Tipa versuchte, mit den Schultern zu zucken. »Das ist nicht notwendig«, sagte er. »Ich kann alle Ihre Wünschen ebenso erfüllen wie Kias, und …« »Befindet sich die mir unter dem Namen Kias bekannte Jared-Einheit in diesem Bunker?« unterbrach ihn Charity. Sie bezweifelte, daß Tipa den Sarkasmus, der in ihren Worten zum Ausdruck kam, überhaupt begriff, aber zumindest beantwortete er ihre Frage nach einer Sekunde mit einem Kopfnicken. »Ja.« »Dann beweg deinen knochigen Hintern und schaff ihn an den Monitor!« verlangte Charity. »Ich rede nicht mit einer Ameise, die Tipa heißt und jedesmal auseinanderzufallen scheint, wenn sie eine Bewegung macht.« »Aber ich versichere Ihnen, daß …« Charity schaltete das Gerät ab, kramte einen Moment lang in ihrer Erinnerung und gab dann eine vierstellige Zahl in die Tastatur ein. Diesmal dauerte es wesentlich länger, bis der Bildschirm hell wurde, aber sie hatte die richtige Nummer erwischt: Auf der Mattscheibe erschien ein Gesicht, das Skudder zu gehören schien. »Hallo!« begrüßte ihn Charity fröhlich. »Wie ich sehe, hast du dir die gleichen schlechten Angewohnheiten zugelegt wie ich.« Skudder öffnete müde ein Auge und blickte sie fragend an. »Du siehst in den Spiegel und wäschst dem Fremden das Gesicht, den du darin erblickst.« »Wie?« machte Skudder. Er gähnte ungeniert. »O Gott… sag mal: Fühlst du dich eigentlich so, wie du aussiehst?« »Ich glaube schon«, antwortete Charity. »Wieso?« »Mein Beileid. Wie lange bist du schon tot?« »Du bist also doch schon wach.« Charity wurde übergangslos ernst. »Sie haben auch dich betäubt.« »Ja. Und das ist noch nicht alles.« Skudder gähnte wieder, rieb sich über die Augen und blinzelte ein paarmal heftig. Offensichtlich hatte er erheblich größere Mühe als sie, wach zu werden. »Meine Tür geht nicht auf.« »Meine auch nicht«, sagte Charity. »Es sieht so aus, als wären wir gefangen.« Seltsam – erst jetzt, da sie die Worte

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