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Der Spinnenkrieg

Der Spinnenkrieg

Titel: Der Spinnenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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aussprach, wurde ihr ihre wahre Bedeutung klar. »Gefangen?« Skudder gähnte erneut, fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht und trat einen Schritt von der Kamera zurück, so daß sie seinen Oberkörper sehen konnte. Mit einem Gefühl leiser Überraschung registrierte sie, daß auch er neue Kleider bekommen hatte. Er trug wieder die gleiche schwarze Lederkluft, in der sie ihm das erste Mal begegnet war: Motorradjacke und -hose, Stiefel und einen schweren, nietenbesetzten Gürtel. Und obwohl sie seinen Rücken nicht sehen konnte, wußte sie, daß sie auf der Jacke einen silbernen Hai mit aufgerissenem Maul entdecken würde; das Emblem der Sharks, deren Anführer er damals gewesen war. Jemand hatte sich verdammt viel Mühe gegeben, ihnen beiden eine kleine Freude zu bereiten. Und der gleiche Jemand mußte eine Menge über sie wissen. Eigentlich kam dafür nur einer in Frage. »Stone.« »Wie?« murmelte Skudder verschlafen. Charity winkte ab. »Nichts. Ich habe nur laut gedacht.« Sie wechselte abrupt das Thema. »Was glaubst du, warum sie uns eingesperrt haben?« Bevor Skudder antworten konnte, erschien in der oberen rechten Ecke des Bildschirmes ein winziges Fenster, in dem Tipas Kopf auftauchte. »Sie täuschen sich, Captain Laird«, sagte der Jared. »Sie sind keineswegs gefangen. Es hat in dieser Anlage nur gewisse Veränderungen gegeben, so daß es uns besser erschien, Sie und Ihren Begleiter zu ihrer eigenen Sicherheit zu isolieren.« Charity starrte die Ameise an, und plötzlich wurde sie doch zornig. »Zu unserer eigenen Sicherheit, so?« schnappte sie. »Wie schön. Dann nehme ich auch an, daß du uns zu unserer eigenen Sicherheit belauschst, wie?« Der Moroni brachte es tatsächlich fertig, verwirrt auszusehen. »Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz, was Sie meinen, Captain Laird«, sagte er. Wir schätzen es nicht besonders, antwortete Charity gereizt, wenn man unseren Gesprächen zuhört, ohne daß wir es wissen. Für euch mag das ja ein Fremdwort sein, aber wir Menschen haben so etwas wie eine Intimsphäre, und wir mögen es gar nicht, wenn jemand ohne unsere Erlaubnis darin herumschnüffelt.« »Ich glaube, jetzt verstehe ich«, sagte der Jared. »Sie meinen, wir sollten damit aufhören, Ihre Interkom-Leitung zu überwachen.« »Das wäre eine ausgezeichnete Idee«, sagte Charity. »Ich werde es veranlassen«, versprach Tipa. »Wünschen Sie auch, daß die Video-Überwachung Ihres Quartiers eingestellt wird?« Charity riß die Augen auf. »Wie?!« »Ich verstehe«, sagte Tipa hastig. »Ich werde das Wort Intimsphäre in unsere Verhaltensmuster aufnehmen lassen, Captain Laird.« Das Gesicht der Ameise verschwand vom Bildschirm. Eine Sekunde später hörte Charity ein leises Klicken, und die Tür glitt einen Spaltbreit auf. Und dann verschwand auch Skudders Gesicht vom Bildschirm. Ihre Quartiere lagen unmittelbar nebeneinander, so daß er nur wenige Augenblicke brauchte, um zu ihr zu kommen. Er wirkte noch blasser und kranker als auf dem Monitor. Seine Hände zitterten ununterbrochen, und sein Atem roch schlecht. Was um alles in der Welt hatte man ihnen gegeben, damit sie schliefen? Sie umarmten sich flüchtig, aber auf eine sonderbare vertraute, warme Art. Irritiert fuhr Charity sich mit dem Handrücken über die Stirn und maß Skudder mit einem langen, sehr verwirrten Blick, und Skudder seinerseits sah sie beinahe erschrocken an. Es war nicht der Umstand, daß sie sich berührt hatten – ihr Verhältnis ging weit über eine gewöhnliche Freundschaft hinaus –, aber Charity hatte bisher geglaubt, daß sie für Skudder gegenüber allenfalls geschwisterliche Liebe empfand. Aber das stimmte nicht. Ganz plötzlich wußte sie, daß da viel mehr war. Wieso hatte sie das eigentlich niemals erkannt? Und wieso begriff sie es eigentlich jetzt? Auch auf Skudders Gesicht zeigte sich ein Ausdruck tiefer Verwirrung. Sie fragte sich, ob es nur die Reaktion auf ihr sonderbares Verhalten war. »Hal … lo«, sagte Skudder unbeholfen. Er versuchte zu lachen und bewegte die Hände, als wüßte er plötzlich nicht mehr, wohin damit. »Ich weiß nicht, ob es die richtige Uhrzeit dafür ist, aber auf jeden Fall: guten Morgen.« Was um alles in der Welt …? Charity trat einen Schritt zurück und maß ihn mit einem neuen, sehr aufmerksamen Blick von Kopf bis Fuß. Abgesehen von seiner bleichen Gesichtsfarbe und den noch immer zitternden Händen sah Skudder tatsächlich genauso aus wie an dem

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