Der Spinnenkrieg
Tag, an dem sie ihn das erste Mal gesehen hatte. Selbst die kleine Wurfaxt, die sein Markenzeichen bei den Sharks gewesen war, steckte wieder in seinem Gürtel. Offensichtlich hielten die Jared den Tomahawk nicht für gefährlich genug, um ihn Skudder wegzunehmen. »Erstaunlich«, sagte Charity. »Jemand scheint ziemlich großen Wert darauf zu legen, daß wir uns wohl fühlen.« Skudder zog eine Grimasse und griff sich an den schmerzenden Schädel. »Ja. Ich merke es. Ob Stone und Gurk auch hier sind?« »Sehen wir nach«, schlug Charity vor. Sie verließen das Zimmer und kontrollierten der Reihe nach alle anderen Räume im Gang. Sie waren allesamt leer. Die letzte Tür, die auf den Hauptkorridor hinausführte, war verschlossen Charity sparte sich die Mühe, ein zweites Mal auf den Knopf zu drücken – aber sie verpaßte der Tür einen kräftigen Fußtritt. Mehr als nur ein wenig verärgert stapfte sie in ihr Quartier zurück und trat an das Interkom-Gerät. Tipas schwarzes Ameisengesicht erschien auf dem Monitor, und Charity fuhr ihn an, noch bevor der Jared überhaupt Zeit fand, etwas zu sagen. »Verdammt, ich frage dich noch einmal: Wieso sind wir eingesperrt? Und jetzt sag bloß nicht wieder, das geschähe alles nur zu unserer eigenen Sicherheit!« »Du wirst auch allmählich wach, wie?« flüsterte Skudder hinter ihr. Charity ignorierte ihn. »Und wo sind Stone und Gurk?« fügte sie erregt hinzu, ehe Tipa auch nur auf ihre erste Frage antworten konnte. » Sie sind sehr verwirrt, Captain Laird«, sagte Tipa. »Ich verstehe das ebenso wie Ihre momentane Erregung.« »Wie schön!« sagte Charity gereizt. »Dann tu etwas dagegen!« » Die Jared-Einheit Kias und Governor Stone sind auf dem Weg zu Ihnen«, antwortete die Ameise. »Sie werden alle Ihre Fragen beantworten.« Er schaltete ab, und Charity starrte den erloschenen Monitor mit einer Mischung aus Zorn und Verblüffung an. »Habe ich das richtig verstanden?« fragte Skudder zögernd. »Sagte er: Governor Stone?« »Ich habe das auch gehört«, bestätigte Charity verwirrt. Sie zuckte mit den Schultern. »Warten wir ab. Wir werden es erfahren.« »Ich hoffe es«, knurrte Skudder. »Und eine Menge anderer Dinge hoffentlich auch. Wenn dieser Kias nicht mit ein paar überzeugenden Antworten herausrückt, dann mache ich ihm einen Knoten in seine vier Arme!« Charity lächelte flüchtig. Mit angezogenen Knien hockte sie sich auf die Bettkante und blickte an Skudder vorbei ins Leere. Skudder sah sie an. Sie spürte seinen Blick, obwohl sie nicht einmal in seine Richtung sah, und plötzlich war eine fast greifbare Spannung zwischen ihnen. Was war mit ihnen geschehen, während sie dort draußen im Raum gewesen waren? Sie versuchte sich zu erinnern, aber es war schwer. Da war … ein Moment gewesen, an den sie sich nur undeutlich erinnerte. Es hatte mit Skudder zu tun gehabt, aber auch mit ihr, mit Stone, mit Gurk und Kias und den Jared und … Der Gedanke erlosch so rasch, als hätte ihn jemand abgeschaltet, und zurück blieb nichts als ein Gefühl tiefer Verwirrung. Etwas war dort draußen geschehen. »Sie haben an unseren Erinnerungen herumgepfuscht«, sagte Skudder plötzlich. Charity sah ihn fragend an, und Skudder tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die rechte Schläfe. »Ich weiß nicht, wieso, aber irgendwie … habe ich das Gefühl, daß da ein Loch ist.« »Kannst du neuerdings Gedanken lesen?« fragte Charity. »Wenn sie so deutlich auf deinem Gesicht geschrieben stehen, dann kann ich es«, antwortete Skudder. »Außerdem habe ich ein wenig Erfahrung in solchen Dingen.« »Du?« »Nicht direkt«, schränkte Skudder ein. »Daniel hat einmal ein paar meiner Männer auf eine Mission geschickt. Als sie zurückkamen, fühlten sie sich so wie ich jetzt – sie konnten sich an nichts mehr erinnern. Wir haben nie herausgefunden, wo sie waren oder was sie erlebt haben.« Skudders Worte klangen einleuchtend. Auch sie hatte schon mit diesem Gedanken gespielt. Und doch … Charity spürte, daß es nicht stimmte. Sie hatte nichts vergessen. Ganz im Gegenteil hatte sie plötzlich das absurde Gefühl, zusätzliche Erinnerungen zu haben. Es vergingen gute zehn Minuten, bis sie das Geräusch der Tür draußen im Gang hörte und Stone und Kias in Begleitung zweier Ameisen bei ihnen erschienen. Charity sah Daniel Stone mit wenig freundlichem Gesichtsausdruck an. Er hatte sich umgezogen und trug jetzt wieder die nachtschwarze Kleidung, in der sie
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