Der Spinnenmann
Gedanken vergaß ich glatt das Zuhören.
»Verzeihung … was haben Sie gesagt?«
»Ich habe gesagt, dass Svendsen dieses gute Verhältnis in Gefahr bringt.«
»Svendsen? Das verstehe ich nicht?«
»Natürlich tun Sie das. Er muss auf seine Steckenpferde verzichten.«
» Steckenpferde?«
»Ja, zum Henker. Seine politischen Steckenpferde! Svendsen denkt nur in Schwarzweiß, wenn er behauptet, dass die Polizei die bürgerliche Presse bevorzugt. Dem ist nicht so, das kann ich Ihnen sagen!«
Ich merkte, wie sich der Knoten in meinem Magen langsam löste.
»Aber Medboe«, murmelte ich. »Aftenposten durfte doch …«
»Eine Ausnahme«, fiel Riisnaes mir ins Wort, »diktiert von besonderen Umständen, aber durchaus kein Anzeichen von Bevorzugung.«
Er blieb schweigend am Fenster stehen. Dann ließ er sich in den Schreibtischsessel fallen. Die straffen Muskeln in seinem Gesicht gaben plötzlich nach und er sah resigniert, fast traurig aus.
»Hat sich Svendsen zum Beispiel jemals gefragt, welche Partei ich wähle?«
»Nein? Sollte er?«
»Vielleicht. Das würde ihn sicher auf andere Gedanken bringen.«
Riisnaes’ Tonfall wurde fast vertraulich: »Aber sagen Sie mir, Erfjord, hat er vor, die Episode von heute Nacht weiterzuverfolgen?«
»Die Episode?«
»Ja, unsere kleine Meinungsverschiedenheit am Tatort.«
Ich begriff plötzlich, dass der Mann sich unter Druck gesetzt fühlte. Das könnte ich mir zunutze machen.
Ich räusperte mich feierlich. »Naja, ich habe ihn andeuten hören, dass die Sache politische Folgen haben könnte.«
Riisnaes rutschte unbehaglich hin und her. »Äh … vielleicht würde er sich das noch einmal überlegen, wenn ihm Informationen über den Einbruch in Rustads Haus zuflossen?«
»Den Einbruch?«
»Ja, das Ehepaar Rustad hat den ersten Stock vermietet. Gleich nachdem Frau Rustad von der Polizei geholt worden war, hörten die Mieter unten Geräusche. Als sie sich unten umsahen, stellten sie fest, dass in die Wohnung eingebrochen worden war.«
Ich machte mir an meinem Notizblock zu schaffen. »Und der Täter?«
»… ist leider entkommen. Die Ermittlungspolizei wurde natürlich gerufen, zusammen mit einer Gruppe unter Leitung von Hauptkommissar Birkelund.«
»Birkelund? Der Fingerabdruckexperte?«
»Ja, genau. Einer unserer besten Leute.«
»Ich weiß, aber hat er denn Fingerabdrücke gefunden?« Fieberhaft ging ich meine Bewegungen in der vergangenen Nacht durch.
»Ja, auf der Fensterscheibe und am Rahmen, wo sie eingestiegen sind. Die Einbrecher waren überaus unvorsichtig. Es wird aber dennoch Zeit brauchen, sie zu entlarven, falls das überhaupt möglich ist. Wie Sie wissen, sind in der Identifizierungszentrale der Ermittlungspolizei zweihunderttausend Fingerabdrücke registriert und klassifiziert. Es ist eine Menge Arbeit, das Register durchzugehen, und wenn die Einbrecher nicht vorbestraft sind, sind ihre Abdrücke nicht vorhanden.«
Ich pries mich glücklich, weil ich nie einen schwerwiegenden Gesetzesbruch begangen hatte.
»Sie reden die ganze Zeit von mehreren Einbrechern. Wie können Sie so sicher sein, dass es nicht nur einer war?«
»Weil wir zwei verschiedene Fußabdrücke gefunden haben.«
Riisnaes schob ein graues Foto über den Schreibtisch. »Hier haben Sie den einen, im Rosenbeet unter dem Fenster. Wie Sie vielleicht sehen, sind die Schuhe ganz neu, ohne Spuren von Abnutzung oder anderen Details. Damit haben sie geringen Identifizierungswert. Aber diese hier …« Er schob ein weiteres Bild über den Schreibtisch. »Hier sind die Sohlen beschlagen mit Schuhschonern, Eisenabsatz und Eisenplatten an den Spitzen, die mit Schrauben befestigt sind. Schuhschoner werden immer per Hand angebracht, und die Entfernung zwischen ihnen fällt immer unterschiedlich aus. Auch die Eisenbeschläge des Absatzes sind wichtig, die Zahl der Schrauben und ihre Stellung sind auf dem Foto deutlich zu sehen. Der hätte auch gleich seine Visitenkarte hinterlassen können!«
Ich versuchte, meine Maske nicht fallen zu lassen. Wenn Riisnaes unter den Schreibtisch geschaut hätte, hätte er die Visitenkarte entdeckt: die alten Wanderschuhe des seligen Herrn Weger.
Nach der Audienz lief ich sofort los und kaufte mir neue Wanderstiefel. Herrn Wegers alte Schuhe versenkte ich diskret im Akerselv, als ich über Nybrua ging. Zuhause angekommen, bemerkte ich als Erstes den süßlichen Geruch von Virginiazigaretten. Danach entdeckte ich, dass mein Presseausweis gut sichtbar auf dem
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