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Der Spinnenmann

Der Spinnenmann

Titel: Der Spinnenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terje Emberland
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Büfett im Esszimmer abgelegt worden war. Mir wurde eiskalt. Mein unbekannter Angreifer war zu Besuch gewesen!
    Mit hämmerndem Herzen durchsuchte ich alle Zimmer.
     
    Die Wohnung war verlassen. Soweit ich sehen konnte, war nichts gestohlen worden. Die Wohnungstür war fest verschlossen gewesen, als ich nach Hause gekommen war. Die Tür zur Küchentreppe schien auch nicht aufgestochert oder aufgebrochen worden zu sein. Wie in aller Welt war er hereingekommen?
    Ein Fenster im Salon war angelehnt, von dort war es möglich, auf die Feuerleiter zu steigen.
    Als ich in den Hinterhof ging, um mir die Treppe genauer anzusehen, entdeckte ich, dass sie baufällig und lebensgefährlich war. Einige der Eisensprossen waren durchgerostet. An mehreren Stellen hatten die Bolzen sich aus der Wand gelöst, Teile der Leiter hingen lose in der Luft.
    An die Mauer darunter hatten die Bengel der Gegend überaus treffend geschrieben: »Gott wird gebeten, die Feuerleiter zu benutzen.«
     
    Der Schneefall
     
    Als ich noch im Halbdunkel hinter den schweren tiefroten Portieren lag, hatte ich ein Gefühl von Schnee. Das wenige Licht, das ins Mädchenzimmer durchsickerte, war blau, frostfarben, die Geräusche von draußen waren gedämpft. Für einen Moment hatte ich das absurde Gefühl, eine Lawine habe die Stadt begraben. Ich stand auf und öffnete die Vorhänge. Schnee fiel aus dem grauen Himmel, legte sich wie eine dicke weiße Decke über Straßen, Häuser und Fabriken. Sogar Dagbladet würde zögern, das als Schneelawine zu bezeichnen, aber ich lag nicht ganz falsch. Innerhalb einiger Morgenstunden hatte ein graues, verdrecktes Oslo sich in eine Polarstadt verwandelt.
    Ich setzte Kaffeewasser auf und füllte die Waschschüssel. Ich merkte, dass der Schnee mich bedrückte. Das sah mir gar nicht ähnlich. Meistens macht der Anblick von Oslo im winterlichen Gewand mich fröhlich, ich denke an Weihnachtsfeiern und Skitouren in der Umgebung. Jetzt aber dachte ich an den Rustadmord.
    Erst als ich frisch gewaschen und neu rasiert am dampfenden Kaffee nippte, begriff ich, warum. Ich hatte das Gefühl, dass der Schnee dem Mörder zu Hilfe gekommen war. Alle Spuren, die ihn hätten entlarven können - am Tatort, auf den verschlammten Wegen, die er mit Rustads Leichnam neben sich gefahren war, und die Strecke, die er gegangen war, nachdem er den Mordwagen am Grev Wedels plass verlassen hatte -, verbargen sich jetzt unter mehreren Zentimetern Neuschnee.
    Jetzt ist es zu spät, dachte ich. Jetzt kriegen sie ihn nie.
    Wie vernünftig diese Überlegung war, weiß ich gar nicht. Ich versuchte, die düsteren Gedanken wegzuschieben, aber sie ließen sich nicht bewegen. Eine unerklärliche Unruhe hatte sich in mir festgebissen. Ich musste irgendetwas unternehmen.
    Nachdem ich in der Redaktion mitgeteilt hatte, dass ich mich verspäten würde, rief ich den Droschkenhalteplatz bei Birkelunden an. Ich hatte vor, die Regel Nr. 1 im Handbuch des Kriminalreporters zu brechen. Ich würde mir Mr. George, Redvald Larssen und die gesamte Ermittlungsabteilung auf den Hals holen, wenn ich auf eigene Faust nach dem Tatort suchte. Wie ich das machen wollte, wusste ich nicht genau. Vermutlich hatte ich vor, den Atlantik vom Schnee zu befreien, bis ich den Fußabdruck des Mörders gefunden hatte.
    Der dicke Mann mit dem roten Gesicht, der mich zum Bahnhof Bryn fuhr, brachte das übliche Zusatzangebot. Seit dem Rustadmord konnte man keine Droschke finden, in der kein Kriminalist hinter dem Lenkrad saß. Alle Fahrer wussten etwas über den Mord, was sonst noch niemand gehört hatte, und die meisten hatten ihre private Theorie aufgestellt. Als der Fettsack hörte, dass ich Journalist war und zum Tvetenvei wollte, schüttelte er resigniert den Kopf.
    »Da ist der Rustad nicht abgemurkst worden, wissen Sie. Alle glauben, dass er in Ostre Aker war, um sich ein Abbruchhaus anzusehen. Aber die wenigsten wissen, dass Rustad seinen alten Dodge verkaufen wollte.«
    »Woher wissen Sie das denn?«
    Er grinste zufrieden. »Ja, das wüssten Sie wohl gern. Das wissen wirklich nicht viele, das kann ich Ihnen sagen. Aber wenn Sie Zeitung lesen, und davon gehe ich doch aus, dann war es nicht im Süden von Alnabru, wo an dem Tag Schüsse gehört worden sind.«
    »Aber dann …«
    »Nein, das war in der Nähe von Grorud. In Fossumdalen. Da gibt’s keine ausgebrannten Gebäude, die Rustad abreißen könnte. Was wollte er also da? Na, der war mit zwei Typen unterwegs, die ihm eingeredet

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