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Der Spinnenmann

Der Spinnenmann

Titel: Der Spinnenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terje Emberland
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konnte, kann ich selbst kaum begreifen. Ich hätte zumindest an die Weissagung denken müssen, die durch den Rustadmord in Erfüllung zu gehen schien. Aber wenn man zuviel im Kopf hat, vergisst man die wichtigen Dinge oft zuerst. So ist es einfach. Ich ging auf geradem Wege in die Redaktion, um anzurufen.
    »Hier B-r-r-r-odin!«
    »Ja, guten Tag, hier ist Erfjord von Arbeiderbladet.«
    »Guten Morgen, du. Ich hab mich schon gefragt, wann du dich melden würdest.«
    »Ja, sicher. Wir wollten über Rustad sprechen, war das nicht so?«
    »Das habe ich wohl versprochen.«
    »Sie haben eine Theorie über den Mord, wenn ich das richtig verstanden habe?«
    Brodin schwieg für einen Moment. Dann sagte er: »Es ist schon mehr als eine Theorie. Ich bin nämlich mit dem Tod bedroht worden, und ich habe keinen Zweifel daran, dass diese Drohung von der anonymen, mir jedoch ziemlich bekannten Brandstifterbande hier in der Stadt stammt, die Birger Bay anführt. Und das weist daraufhin, dass ich recht habe, wenn ich von einer Verbindung zwischen der Bay-Bande und dem Rustadmord ausgehe.«
    Ich musste zugeben, dass ich enttäuscht war. »Ist das alles, wovon Sie ausgehen können - eine anonyme Drohung?«
    »Sie empfinden das also als Kleinigkeit? Und ansonsten ist die Antwort nein. Vor dem Mord habe ich von Frau Rustad interessante Auskünfte erhalten, als ich ihren Laden aufgesucht habe …«
    »Als da wären?«
    »Frau Rustad hat zugegeben, dass ihr Mann oft viele Stunden auf dem Diwan lag und sich Sorgen machte. Die Bemerkung, dass er Angst hatte, es könne böse mit ihm enden, deutet doch absolut daraufhin, dass mit den Leuten, mit denen er zu tun hatte, nicht zu spaßen war.«
    »Und da haben Sie sofort an die Bay-Bande gedacht?«
    »Rustad selbst soll gesagt haben, dass er sich für einen größeren Hof mit Wald interessierte. Und wenn sich jemand mit Immobilien auskennt, dann Walter Fredriksen und Birger Bay. Frau Rustad hat angedeutet, dass ihr Mann in der Zeit vor dem Mord in allerlei zweifelhafte Geschäfte verwickelt war.«
    »Bay hatte ihn überredet, in einen überversicherten Hof zu investieren, meinen Sie? Und dann kam Rustad der Gedanke, dass Bay die ganze Pracht abfackeln wollte?«
    »Genau. Als Edvard Rustad dann klargestellt hat, dass er da nicht mitmachen wollte, und sogar mit der Polizei drohte, wurde er ermordet.«
    »Das sind bemerkenswerte Behauptungen, Brodin. Ihnen ist doch klar, dass ich Aussagen von Fredriksen und Bay brauche, ehe das gedruckt werden kann?«
    »Natürlich. Von mir aus können Sie das gern versuchen. Sie finden die Bande im Hauptquartier.«
    »Ich weiß, wo das ist. Ich gehe nicht zum ersten Mal hin.«
    »In der Dronningens gate 63.«
    »Ja, danke, ich weiß, wo das ist. Bis dann.«
    Ich legte auf.
     
    Rechtsanwalt Walter Fredriksen hatte das Grundstück Dronningens gate 63 im November 1931 gekauft. Aus irgendeinem Grund verzichtete er auf bedeutende Einnahmen, denn er ließ das Geschäftshaus leer stehen, mit Ausnahme der beiden oberen Etagen. Ganz oben hatte er für sich eine Junggesellenwohnung eingerichtet, begnügte sich jedoch mit einem einzigen Zimmer, während Birger Bays Bande das andere Zimmer und die Küche benutzte, wann immer sie wollten. Einen Stock tiefer lag Fredriksens Büro. Hier hatte die Bay-Bande eine Art Clubheim eingerichtet. Sie verbrachten die Tage mit Pokern und Biertrinken, während Fredriksen hinter einer spanischen Wand seine zweifelhaften Kunden empfing. Hier wurden Pläne geschmiedet für Erpressung, Wucher, Betrug und Brandstiftung, ohne dass die Gefahr einer Entlarvung sonderlich groß gewesen wäre. Die Haustür unten war rund um die Uhr abgeschlossen, und wenn es doch jemand geschafft hätte, sich ins Gebäude einzuschleichen, hätte der Fahrstuhl ihn entlarvt. In dem leeren Haus war das Rasseln im Fahrstuhlschacht so durchdringend wie eine elektrische Bohrmaschine.
    Ich sah mir von der Straße aus Fredriksens Festung genauer an. Alle Fenster waren dunkel. Zum Schein versetzte ich der Haustür einen Stoß. Das Schnappschloss war aufgebrochen. Ein schlechtes Zeichen.
    Ich ging ins Treppenhaus und zog vorsichtig die Tür hinter mir zu. Der Fahrstuhl stand im Erdgeschoss. Nach kurzem Nachdenken beschloss ich, ihn zu nehmen. Ich war ja schließlich ganz legal hier, auch wenn es mir nicht so vorkam.
    Ich schloss die Tür und drückte auf den Knopf für den zweiten Stock. Es klirrte und ächzte. Als der Fahrstuhl endlich anhielt, rechnete ich mit einem

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