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Der Spinnenmann

Der Spinnenmann

Titel: Der Spinnenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terje Emberland
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Opfern. Vermutlich war er zuerst bei der Tür, wurde aber zu Boden getrampelt, ehe er aufmachen konnte. Haben Sie irgendeine Vorstellung, wer das sein kann?«
    Ich starrte verzweifelt die Kette an.
    »Ich kenne nur einen Mann, der so einen Schmuck trägt: Lennart Winther.« Ich zeigte auf den Toten. »Aber das ist er nicht. Das kann er nicht sein. Lennart ist doch überhaupt nicht verschwunden.«
    Harbitz sah mich mit ernster Miene an. Dann ging er zu einem Schreibtisch und blätterte dort in irgendwelchen Unterlagen. Er kam mit einem Blatt Papier in der Hand zurück.
    »Lennart Winther wurde heute früh vermisst gemeldet«, sagte er düster. »Er ist seit dem 13. Januar nicht mehr im Chat Noir gesehen worden.«
    Er musterte mich mitfühlend. »Und das war vor dem Brand in der Dronningens gate.«
     
    Die Thermitbombe
     
    Ich stand in einem von Säulengängen aus Klinker umgebenen Innenhof. Das Licht war künstlich gelb und gedämpft. Ich drehte mich um und sah unter einem der dunklen Bögen eine Gestalt. Eine Zigarette glühte. Bondi trat aus dem Schatten, hob mit eleganter Bewegung seinen Hut und zeigte auf die Mitte des gepflasterten Platzes. »Sehen Sie das Joch des Schweigens.«
    Ich drehte mich um und sah einen großen Aschehaufen, wo eben noch ein Springbrunnen gestanden hatte. Der Aschehaufen bewegte sich, als ob er atmete. Im Rhythmus der Atemzüge quollen schwarzverbrannte Klumpen aus der Mitte. Ein Kopf tauchte auf. Die Gesichtshaut war brüchig und verkohlt, aber ich wusste doch, dass es Lennart war.
    »Erik!«
    Als er lächelte, platzte die Haut, und das Muskelgewebe unter der schwarzen Kruste glänzte rot. »Erik!«
    Mr. George stand neben dem Schreibtisch und beugte sich über mich.
    »Hier liegst du also?« Er musterte mich streng und mit hinter seiner Hornbrille zusammengekniffenen Augen. »Du gehörst ins Bett. Harbitz hat uns angerufen und von deinem Unwohlsein berichtet. Ich habe versucht, dich zu Hause zu erreichen, aber als sich da niemand meldete, wusste ich ja, dass du so dumm gewesen bist, herzukommen.«
    »Ich, ich … ich wollte nur einen Nachruf auf Lennart schreiben. Ich dachte, ich müsste …«
    »Unsinn. Du solltest zumindest warten, bis er offiziell identifiziert ist.«
    Er zog den halbgeschriebenen Nachruf aus der Schreibmaschine, faltete das Blatt zusammen und legte es in eine Schublade in seinem Schreibtisch.
    »Warte einen Moment…«
    Mr. George verließ dass Zimmer, und ich hörte, wie er nebenan im Büro des Nachtredakteurs herumwühlte. Gleich danach trat er mit einer Schnapsflasche in der Hand in die Tür.
    »Schau her! Holt hat ein paar Schlucke übrig gelassen. Und jetzt nimmst du einen ordentlichen Zug.«
    Ich schluckte gehorsam. Die Wärme stieg mir vom Magen in die Wangen.
    »So, ja.« Mr. George lächelte mitfühlend. »Aber jetzt zu etwas anderem und um einiges Handfesterem. Ich habe mit Gerichtschemiker Bruff gesprochen. Er kann berichten, dass in Fredriksens Wohnung die Reste einer zylinderförmigen Thermitbombe gefunden worden sind.«
    »Thermitbombe?«
    »Ja, die wurden während des Weltkriegs von Spionen benutzt. Bruff hat sie in Verbindung mit der Rautenfels-Affaire kennengelernt.« Mr. George zog seinen Notizblock aus der Jackentasche und las vor: »Thermit ist eine Mischung aus Metalloxyden und Aluminium, und wenn es mit einer Patrone gezündet wird, entwickelt sich sofort eine Temperatur von dreitausend Grad. Rotglühende Metallpartikel werden in alle Richtungen geschleudert.«
    »Ach?«
    Meine Neugier war geweckt. Auf seine spitzfindige Weise hatte Mr. George es geschafft, mich Lennart für eine Weile vergessen zu lassen.
    »Eine überaus effektive Methode also, um etwas abzufackeln«, sagte ich.
    »Ja, aber zum Glück bleibt immer ein Teil der Bombe als harter Metallkuchen am Brandherd zurück. Bruff hat diesen Rest zur Analyse an Professor August Brüning in Berlin geschickt.«
    »Das scheint auf professionelle Täter hinzuweisen. Hat sie irgendwer gesehen?«
    Mr. George schüttelte den Kopf. »Nein, die Polizei hat an die zwanzig Personen vernommen, aber bisher hat noch keine Beobachtung irgendetwas getaugt.«
    Ich schaute ihn ein wenig verwundert an.
    »Du klingst plötzlich so gut informiert. Zuerst die Mitteilung von Bruff, dann Details über Zeugen. Ist Riisnaes weich geworden?«
    Mr. George lächelte. »Naja, Erik, wenn ich das richtig verstanden habe, ist das auch dein Verdienst. Er hat sich wohl aus Angst vor den politischen Folgen für eine

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