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Der Spinnenmann

Der Spinnenmann

Titel: Der Spinnenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terje Emberland
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gate. Ich war nicht mehr sicher, ob ich Lust hatte, ihn wiederzutreffen.
    Nachdem der Artikel über das Gemälde in Druck gegangen war, verbrachte ich ein paar nervöse Tage in der Erwartung, dass der Mann sich offenbarte. Sobald ich nach Hause kam, überprüfte ich die Wohnung auf Anzeichen seines Besuchs. Ich fand nichts, nicht einmal eine Speed-Kippe im Aschenbecher. Ich zog den Schluss, dass Bondi Norwegen verlassen haben musste und fieberhaft damit beschäftigt war, das Originalgemälde in einem anderen Land zu suchen. Dasselbe galt vermutlich für den Spinnenmann. Zumindest entdeckte ich auch von ihm keine Spur.
    Die mystischen Rivalen hatten also die Arena an einen anderen Ort auf dem Globus verlegt. Wären nicht all die Toten am Wegesrand zurückgeblieben, hätte man fast glauben können, dass ihr Norwegenaufenthalt nur ein böser Traum gewesen war. Doch die Opfer waren real genug. Auf dem Friedhof Vestre Gravlund lagen acht verkohlte Leichen in anonymen Gräbern, während ihre Zahnabdrücke, ihr Schmuck und ihre Uhren weiterhin im pathologisch-anatomischen Institut aufbewahrt wurden.
    Mr. George war nicht besonders mitteilsam, als ich ihn nach dem Stand der polizeilichen Ermittlungen fragte. Professor Brüning hatte bestätigt, dass eine Thermitbombe deutscher Bauart benutzt worden war, um die Wohnung in der Dronningens gate anzuzünden. Sveen hatte der Presse allerdings bis auf Weiteres einen Maulkorb verpasst. Er hatte die IKPK, die Internationale Kriminalpolizeikommission, gebeten nachzuforschen, ob ausländische Attentäter hinter der Tat steckten. Das Ergebnis der Untersuchungen wollte er abwarten, bis die Informationen über die Bombe veröffentlicht würden.
    Auf dem Friedhof Nordre Gravlund war Lennarts Name nun in den Familiengrabstein gemeißelt. Mindestens einmal pro Woche kam ich zu Besuch, legte einen Blumenstrauß auf das Grab und blieb eine Weile bei ihm sitzen. Ich weiß nicht, was mich zu solchem Pflichtbewusstsein trieb. War es Trauer, das Gefühl des Verlusts oder schlechtes Gewissen? Auf jeden Fall musste ich sein Grab nicht aufsuchen, um die Erinnerung an ihn wachzuhalten. Jede einzelne Nacht erschien er mir im Schlaf.
    So verging der Frühling. Im Nachhinein ist mir klar geworden, dass ich in einem Zustand des Wahnsinns herumlief, der nur auf eine Gelegenheit zum Ausbruch wartete. In erster Linie habe ich es der Arbeit in der Sportredaktion zu verdanken, dass es nicht dazu kam.
    Lange und arbeitsreiche Tage waren mir durchaus nicht fremd; Mr. George hatte stets darauf geachtet, dass es genügend Dinge gab, mit denen ich mich beschäftigen konnte. Mit dem Sport war es dennoch etwas anderes. Seit dem Augenblick, in dem der Arbeitersportverband gegründet worden war, um dagegen zu protestieren, dass der Norwegische Landesverband für Sport als Plattform für die Anwerbung von Streikbrechern diente, hatte Tranmael die Sportseite von Arbeiderbladet in ein politisches Forum verwandelt. Dies hatte zur Folge, dass die Sportjournalisten der Zeitung spezielle Anforderungen erfüllen mussten. Es war nicht genug, dass ich ausführlich über Sportveranstaltungen berichtete, ich musste auch eine politische Perspektive berücksichtigen - auf irgendeine Weise musste ich etwas über die faschistischen Tendenzen des Norwegischen Landesverbands einbauen oder erwähnen, wie verwerflich es war, Sportidolen, herausragenden Leistungen oder Sensationsveranstaltungen zu huldigen.
    Auch als die Sportjournalisten anderer Zeitungen ins Ausland reisten, um von großen Ereignissen zu berichten, war ich nicht dabei. Der Arbeitersportverband konnte schlichtweg keine Spesenübernahme anbieten. Ungeachtet indignierter Leitartikel von Tranmael bekam der Arbeitersportverband keine öffentlichen Zuschüsse und musste sich im Großen und Ganzen mit nationalen Veranstaltungen begnügen. Ich berichtete von den meisten, kann mich aber nur noch an das Endspiel um den Fußballpokal in Daelenenga erinnern. Im Voraus hatte ich mich mächtig darauf gefreut, Sagene gegen Sterling spielen zu sehen, aber es wurde ein enttäuschend schwaches Spiel. Nach regulärer Spielzeit stand es 0:0, und leider gewann Sterling dann mit 3:2 in der Verlängerung.
    Nicht einmal an die Jubiläumsfeier zum zehnjährigen Bestehen des Arbeitersportverbands habe ich besondere Erinnerungen. Normalerweise hätte solch eine Veranstaltung mein Herz anschwellen lassen, doch ich stand geistesabwesend da, während die Sportjugend in Sternformation aufmarschierte,

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