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Der Spinnenmann

Der Spinnenmann

Titel: Der Spinnenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terje Emberland
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konnte ich schon tun? Ich war kein Ersatz für Lennart Winther.
    Kiss Lorenz nippte an ihrem Wermut und nahm ein Päckchen Medina aus der Handtasche.
    »Ich muss dir was erzählen, Erik«, sagte sie. »Wenn du versprichst, dass es unter uns bleibt…«
    Ich nickte stumm, unsicher, worauf sie hinauswollte.
    Sie zündete sich eine Zigarette an. Anscheinend fiel es ihr schwer weiterzusprechen.
    Ich räusperte mich.
    »Ich nehme an, es geht um Lennart.«
    Sie sah mir in die Augen. Wieder schien sie mit den Tränen zu kämpfen.
    »Weißt du, Erik«, sagte sie. »Ich kann gar nicht sagen, wie froh ich bin, dir begegnet zu sein! Jetzt sind wir in der Trauer vereint, du und ich. Lennarts engste Freunde.«
    Ich wurde verlegen.
    »Das kann man wohl kaum vergleichen. Ich meine, du warst doch viel mehr als eine Freundin.« Sie lächelte zaghaft.
    »Sicher. Aber dafür hattest du Zugang zu einem Lennart, der sich außerhalb meiner Reichweite befand.«
    »Meinst du? Das kam mir in letzter Zeit aber gar nicht so vor. Ich hatte eher das Gefühl, dass Lennart mich vollkommen ausschloss.«
    »Nein, das stimmt nicht. Du hast ihm enorm viel bedeutet, bis zum Schluss.«
    Sie legte eine Hand auf meine. Natürlich hatte sie damit nichts Besonderes beabsichtigt, gleichwohl reagierte ich, als hätte sie mich mit einer Liebkosung bedacht. Von dem, was sie sagte, bekam ich nicht mehr viel mit. Mit einem Mal kam es mir vor, als säßen wir dichter nebeneinander, ich konnte ihren Atem im Gesicht spüren.
    Plötzlich sagte sie ein Wort, das den Zauber brach.
    »Die Miniatur?«, wiederholte ich ungläubig.
    Kiss Lorenz nickte eifrig.
    »Wie ich schon sagte: In Wirklichkeit sind wir beide Lennarts engste Verwandte. Da wär’s doch ein starkes Stück, wenn du nicht auch etwas von ihm erbtest.«
    »Dann hast du also das Gemälde bei Möbelhändler Agnaess hinterlassen? Weil du wolltest, dass ich ein Andenken an Lennart bekomme?«
    Traurig schüttelte sie den Kopf. »Nicht nur deshalb. Ich war neugierig, was für ein Gemälde das war. Und ich dachte, dass du viel mehr Erfahrung darin hast als ich, solche Dinge herauszufinden.«
    »Aber es wäre doch nicht schlimm gewesen, wenn ich erfahren hätte, dass das Bild von dir kam?«
    Eine schwache Röte breitete sich auf ihren Wangen aus.
    »Gott, ja. Das war schon ein wenig melodramatisch. Aber um ehrlich zu sein, war es mir etwas peinlich, dich um Hilfe zu bitten. Ich war ja nicht gerade überströmend freundlich, als wir uns zuletzt begegnet sind.«
    Ich tat es mit einer Handbewegung ab. »Denk nicht daran. Das war ja reine Verlegenheit …« Dann erzählte ich ihr von meinem Besuch bei Kunsthändler Vik.
    Sie nickte ernst. »Das passt gut zusammen. Ich glaube nämlich, dass Großhändler Rustad ermordet wurde, weil er sich weigerte, das Gemälde zu verkaufen.«
    »Aber dann verstehe ich gar nichts mehr. Bei Kunsthändler Vik haben sie gesagt, dass es nicht mehr als zweihundert Kronen wert sei.«
    »Das Porträt ist vermutlich in ganz anderer Hinsicht wertvoll.«
    Ich versuchte, einen Sinn in ihrer Bemerkung zu finden. Das war beileibe nicht einfach.
    »Aber was ist mit Lennart?«, fragte ich. »Glaubst du, dass auch er wegen des Bildes ermordet wurde?«
    Kiss biss sich nachdenklich auf die Lippe. »In gewisser Weise trifft das wohl zu. Doch der eigentliche Anlass war, dass er zuviel wusste …«
    »Über den Mord an Rustad?« Sie nickte.
    »Aber das sind doch bloß Spekulationen, oder? Wir wissen, dass Lennart das Gemälde bei Kunsthändler Vik abgeholt hat, aber das bedeutet doch nicht automatisch, dass er in den eigentlichen Mord verwickelt war.«
    »Doch, leider. Ich weiß mit Sicherheit, dass Lennart in Rustads Wagen war, als der Großhändler ermordet wurde.«
    Ich traute meinen Ohren nicht.
    »Er war im Mordwagen? Aber woher weißt du das?«
    »Am Tag nach Rustads Ermordung kam Lennart mit dem Gemälde nach Hause. Das Porträt sollte ihm aus der Patsche helfen, sagte er, aber nichts war nach Plan gegangen, und er war in größerer Gefahr als je zuvor. Als ich ihn fragte, was er damit meinte, sagte er: >Ich habe zu viele Fehler gemacht. Jetzt bin ich ein gefährlicher Zeuge, der zum Schweigen gebracht werden muss.< Als ich versuchte, vernünftig mit ihm zu reden, schrie er mich an: >Ich habe zwei Zentimeter daneben gesessen, als Großhändler Rustad das Hirn rausgeblasen wurde. Begreifst du jetzt, dass das kein Spaß ist?<«
    Ich war wie vor den Kopf geschlagen.
    »Du irrst dich, wenn du

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