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Der Spinnenmann

Der Spinnenmann

Titel: Der Spinnenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terje Emberland
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zu verbringen, gab es kein Widersprechen. Mit größter Selbstverständlichkeit hatte er das Kommando übernommen. Der Kontrakt und Bondis Ring waren in das Futter des unförmigen Wintermantels eingenäht. Die weiteren Pläne waren geschmiedet, alle Entscheidungen getroffen. Ich konnte einzig und allein bei ihm bleiben und abwarten, was geschehen würde.
    Ich machte zwei Stiche, bevor Elvestad meine Pik-Dame übertrumpfte. Dann begann er, Herzen auszuspielen. Nach einer Weile schien es, als wäre er des Spiels überdrüssig. Er legte die Karten auf den Tisch, lehnte sich zurück und blickte mich ernst an. »Bist du bewaffnet, Erik?«
    Die Frage kam völlig überraschend. Stammelnd musste ich eingestehen, dass ich derartige Vorsichtsmaßnahmen leider versäumt hatte.
    Elvestad warf das Springmesser auf den Tisch. Dann sagte er: »So eins hättest du auch dabei haben sollen!«
    Ich nahm die Waffe, um sie mir genauer anzusehen. Elvestad demonstrierte mir den Auslösemechanismus. Die blitzscharfe Klinge schoss aus dem Schaft.
    »Prachtvoll, nicht wahr? Ich habe es von Göring geschenkt bekommen.«
    »Hermann Göring?«
    »Ja, ich habe ihn ’23 in München kennengelernt. Ein jovialer und extrovertierter Typ. Wusstest du, dass seine Frau Schwedin war?«
    »Was hat das mit der Sache zu tun? Sie reden von einem der schlimmsten deutschen Nationalsozialisten!«
    Er nickte bedächtig. Dann sagte er, wohl um mich milder zu stimmen: »Bist du nicht neugierig, woher ich wusste, was Bondi mit >Bosphorus< meinte?«
    Selbstverständlich war ich das. Elvestad schob die Klinge zurück in den Schaft, ging zur Garderobe und legte das Messer in die Manteltasche.
    »Nun«, sagte er, nachdem er sich wieder gesetzt hatte. »Vor zwei Tagen las ich einen Artikel in Tidens Tegn. Er handelte von Fred. Olsens neuer Palästina-Route. Die erste Abfahrt fand heute Vormittag statt…« Elvestad setzte eine bedeutungsvolle Miene auf. »… als das Motorschiff Bosphorus den Osloer Hafen verließ. Es wird damit gerechnet, dass es Anfang Januar in Tel Aviv ankommt.«
    »Tatsächlich!«
    Er schwieg geheimnisvoll.
    »Jacob Bondis Nachricht bedeutet also …?«
    »Er hoffte, dass du den Kontrakt finden würdest. Du sollst ihn seinen Mitverschworenen übergeben, die mit diesem Schiff nach Tel Aviv reisen. Und damit sie verstehen, wer du bist, musst du den Ring tragen, wenn du an Bord gehst…«
    »Na, ich muss schon sagen, Elvestad! Einer Ihrer Detektivhelden hätte keine bessere Erklärung bieten können!«
    »Vielen Dank.« Er lächelte voller Stolz. »Wie ich immer zu sagen pflege: Asbjorn Krag, das bin ich!«
    »Allerdings hätte ich doch einen kleinen Einwand.«
    »Und wie sollte der lauten?«
    »Die Bosphorus ist bereits auf dem Weg nach Tel Aviv - wir kommen zu spät!«
    Elvestad brach in ein jungenhaftes Lachen aus. »Keineswegs, Erik. Die Bosphorus fährt zunächst nach Menstad, um Kunstdünger zu laden. Wenn wir morgen früh den Zug nach Skien nehmen, schaffen wir es, an Bord zu gehen, bevor das Schiff vom Kai ablegt.«
    »Und dessen sind Sie sich ganz sicher?«
    »Selbstverständlich. Ich sagte doch, es stand in Tidens Tegn.«
    Er nahm einen ordentlichen Schluck aus der Portweinflasche und reichte sie dann mir. Ich schüttelte den Kopf. Angesichts seiner Schlussfolgerungen war ich immer noch ganz aufgewühlt. »Können wir ganz sicher sein, dass Bondi tot ist?«
    »Ja. Ich habe diese Nazis bereits vor elf Jahren kennengelernt, ich habe Hitler persönlich interviewt - und glaub mir, diese Menschen sind fanatische Antisemiten.«
    Ich lächelte erleichtert.
    »Und ich dachte schon, Sie seien Faschist«, erwiderte ich. »So, wie die anderen Mitarbeiter von Tidens Tegn.« Elvestad sah mich erstaunt an.
    »Wer sagt, dass ich es nicht bin? Ganz im Gegenteil. Heydrich und Hitler sind bloß Pseudofaschisten. Sie glauben nicht daran, dass irgendwelche politischen Ziele erreicht werden können, ohne die Juden zu verdrängen. Ihr krasser Antisemitismus hat sie für das nationale Element, das die Hauptsache des Faschismus ist, blind werden lassen!«
    Ich machte mir nicht die Mühe, ihm zu widersprechen, es wäre gewesen, wie mit einem Kind über Politik zu diskutieren. Elvestads Äußerungen ließen grenzenlose Naivität und erheblichen Wissensmangel erkennen.
     
    Gegen halb sechs hatte er beide Portweinflaschen geleert. Ich erbot mich, eine neue an der Rezeption zu besorgen. Als der Nachtportier mit der Flasche ankam, bat ich darum, telefonieren zu

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