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Der Spinnenmann

Der Spinnenmann

Titel: Der Spinnenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terje Emberland
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kompliziert machen willst!«
    Mit schmollender Miene umfasste sie das Lenkrad. Und blieb so sitzen.
    »Du, Kiss, es gibt keinen Grund, sauer zu sein. Ich will nur …«
    »Ich bin überhaupt nicht sauer!«
    »Ach nein, und was hast du dann?«
    »Ich wollte dich fahren … da, wo du hinwillst. Aber jetzt weiß ich nicht mehr, was ich machen muss.«
    »Du meine Güte«, entfuhr es mir. »Du trittst auf die Kupplung und startest den Motor, indem du den Zündschlüssel umdrehst. Das kann ja sogar ich!«
    Kiss lachte zufrieden. Dann ließ sie den Chrysler an, legte den Gang ein und schoss vom Parkplatz. Genauso schnell fuhr sie die ganze Elvegate hinunter, bevor sie plötzlich scharf bremsen musste, weil ein Betrunkener über die Kreuzung an der Jernbanegate torkelte.
    »Vielleicht ist es besser, wenn ich das Steuer übernehme«, schlug ich vor.
    »Du Quatschkopf! Hast du wirklich gedacht, dass ich nicht mal den Wagen anlassen könnte?«
    In einem viel langsameren Tempo fuhr sie weiter. »Wo willst du hin?«
    »Fahr mich doch bitte zum Gebäude des Folketeater.«
    »Wird gemacht!«
    Wir kamen zum Youngstorv, und Kiss hielt den Wagen an. »Hast du Papier und Bleistift bei dir?«, fragte sie. »Selbstverständlich«, erwiderte ich. »Hast du schon mal von einem Journalisten gehört, der das nicht bei sich hat?«
    »In Ordnung. Dann gebe ich dir die Telefonnummer meiner Freundin. Und solltest du entgegen aller Erwartung Verwendung für mich haben, dann zögere nicht, mich anzurufen.«
    Sie verstummte und sah mich ungeduldig an. »Hast du jetzt Papier und Bleistift, oder was?«
    Sie hatte guten Grund, verärgert zu sein. Ich hatte nicht einen Finger gerührt, um ihrem Wunsch nachzukommen. Meine eigenen Worte hatten einen Denkprozess angestoßen, der mir fast den Atem raubte. Es war, als erhöbe sich die Sonne über einer dunklen Landschaft und ließe ein Detail nach dem anderen erkennen. Alles hatte plötzlich eine logische - und nicht minder einfache - Erklärung.
    Ich wusste, wo sich der Kontrakt befand.
     
    Bosphorus
     
    Nachdem Kiss weggefahren war, ging ich zum Empfangstresen von Arbeiderbladet und bat um das Adressbuch. Schnell fand ich, wonach ich gesucht hatte.
    Doch um ganz sicher zu gehen, überprüfte ich erst das Grand Hotel, das Hotel Cecil und das Restaurant >Annen Etage< im Hotel Continental. Danach fuhr ich in die Sophus Lies gate 4 in Frogner.
    Als ich an der Tür klingelte, hörte ich aus dem Innern eine gequälte Stimme. »Wer ist da?«
    »Erik Erfjord von Arbeiderbladet. Wir sind uns im Cafe Kielland begegnet.«
    »Komm schon rein, in Gottes Namen!«
    Die Tür war unverschlossen. Ich lief durch den Flur und betrat ein Wohnzimmer, das, abgesehen von einer mit verwelkten Zinnien bestückten Vase vor dem Fenster, keinerlei Schmuck aufwies. Vollständig angezogen lag Sven Elvestad auf dem Sofa. Seine Brille hatte er auf die Stirn geschoben. Auf dem Wohnzimmertisch aufgereiht standen leere Weinflaschen.
    »Sind Sie krank?«, fragte ich.
    Er sah noch schlimmer aus als in meiner Erinnerung. Sein zerzaustes Haar ragte ihm in die Stirn, das Gesicht war rot und verschwollen, seine Portweinnase voll tiefer Poren. Die Augen starrten blind in meine Richtung.
    »Hilf mir, hilf mir«, stöhnte er.
    »Brauchen Sie einen Arzt?«
    »Ich muss pinkeln und kann meine Brille nicht finden.« Ich musste mir auf die Lippe beißen, um nicht laut aufzulachen.
    »Sie haben sie auf der Stirn.«
    »Häh!«
    Elvestad tastete mit beiden Händen nach der Brille. Sobald er sie auf die Nase gesetzt hatte, stand er schwerfällig auf und schwankte hinaus auf die Toilette. Er hatte keine Zeit, die Tür zu schließen, und ein paar Sekunden später hörte ich, wie ein kleiner Wasserfall aus ihm heraussprudelte.
    »Erfjord, das stimmt doch?«
    Er musste rufen, um das laute Geplätscher zu übertönen.
    »Ja«, rief ich zurück. »Erik Erfjord. Wir sind uns im Januar im Cafe Kielland begegnet, aber ich weiß nicht, ob Sie sich daran erinnern.«
    Elvestad beendete sein Geschäft und betätigte die Spülung. Während er sich die Hose zuknöpfte, kam er ins Wohnzimmer zurück.
    »Natürlich erinnere ich mich. War das nicht der Tag nach dem Rustad-Mord?«
    Ich nickte. »Sie und Eines kamen gerade von dem Lagerplatz in der Uelands gate.«
    »Ja, stimmt…«
    »Sie trugen einen knöchellangen, anthrazitgrauen Wintermantel.«
    Seine halbblinden Augen blitzten auf. »Was ist damit?«, fragte er neugierig.
    »Haben Sie den Mantel noch?« Elvestad

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