Der Spion, der aus der Kälte kam
mit grauem Filzhut schaute zur Tür herein und fragte:
»Mädchen?«
»Jemand im obersten Stock ist schwer krank«, sagte Liz. »Er kann nicht an die Tür kommen und sie aufmachen. Haben Sie einen Schlüssel?«
»Nein«, sagte der Krämer, »aber ich habe einen Hammer.« Zusammen eilten sie die Stufen hinauf, der Krämer noch mit seinem Filzhut auf dem Kopf, in der Hand einen schweren Schraubenzieher und einen Hammer. Er pochte an die Tür, und atemlos warteten sie auf Antwort. Es kam keine.
»Ich habe vorhin gehört, dass jemand stöhnte - ganz bestimmt«, flüsterte Liz.
»Bezahlen Sie die Tür, wenn ich sie aufbreche?«
»Ja.«
Der Hammer machte schrecklichen Lärm. Mit drei Schlägen hatte der Mann ein Stück des Rahmens und das Schloß herausgeschlagen. Liz ging zuerst hinein, der Kaufmann folgte ihr. In dem Raum war es bitter kalt und dunkel, aber auf dem Bett in einer Ecke war die Gestalt eines Mannes zu erkennen.
O Gott, dachte Liz, ich kann ihn nicht anfassen, wenn er tot ist. Aber sie ging zu ihm hinüber und sah, dass er lebte. Sie zog die Vorhänge auf und kniete sich neben das Bett.
»Ich werde Sie rufen, wenn ich Sie brauche, danke sehr«, sagte sie, ohne sich umzudrehen. Der Kaufmann nickte und ging hinunter.
»Alec, was ist los? Was hast du, was ist, Alec?«
Leamas bewegte seinen Kopf auf dem Kissen; seine eingesunkenen Augen waren geschlossen. Der dunkle Bart hob sich von der Blässe seines Gesichts ab.
»Alec, du mußt es mir sagen, bitte, Alec.« Sie hielt eine seiner Hände in der ihren. Die Tränen liefen ihr die Wangen hinunter. Verzweifelt fragte sie sich, was zu tun sei, dann stand sie auf, lief in die winzige Küche und stellte einen Kessel Wasser aufs Gas. Sie wußte nicht genau, was sie tun sollte, aber es beruhigte sie, irgend etwas zu unternehmen. Sie ließ den Kessel auf dem Gas, nahm ihre Handtasche und den Wohnungsschlüssel vom Nachttisch und lief die vier Treppen und über die Straße zu Mr. Sleaman hinunter, in dessen Geschäft sie eine Dose Hühnerbrust, Suppenwürfel und eine Schachtel Aspirin kaufte. Als sie schon an der Tür war, drehte sie um und kaufte noch ein Paket Zwieback. Alles zusammen kostete sechzehn Shilling. Sie besaß noch vier Shilling in bar und elf Pfund auf ihrem Postsparbuch, von dem sie heute nichts mehr abheben konnte.
Das Wasser kochte gerade, als sie wieder in die Wohnung zurückkam. Sie goß die Suppenwürfel in einem Glas auf, wie es ihre Mutter immer machte, indem sie einen Löffel hineinstellte, um das Zerspringen des Glases zu verhindern. Unterdessen ließ sie Leamas nicht aus den Augen, als fürchtete sie, er könnte tot sein.
Sie mußte ihn stützen, damit er die Suppe trinken konnte. Er besaß nur ein Kopfkissen, und da es in der Wohnung keine anderen Polster gab, nahm sie seinen Mantel vom Haken hinter der Tür, machte ein Bündel daraus und stopfte es hinter das Kopfkissen. Sie hatte Angst vor der Berührung mit ihm, er war schweißnaß, und sein kurzes graues Haar war feucht und klebrig. Sie stellte das Glas ab, hielt seinen Kopf mit der einen Hand und flößte ihm die Suppe mit der anderen ein. Als er einige Löffel zu sich genommen hatte, zerdrückte sie zwei Aspirintabletten und gab sie ihm mit dem Löffel. Sie redete ihm wie einem Kind zu, während sie auf der Bettkante saß, ihn und sein Gesicht mit den Fingerspitzen streichelte, wobei sie immer seinen Namen flüsterte: »Alec, Alec.«
Allmählich wurde sein Atem gleichmäßiger und sein Körper entspannte sich, da er aus dem schmerzhaften Fieberkrampf in einen ruhigen Schlaf hinüberglitt. Liz fühlte, dass er das Schlimmste überstanden hatte. Plötzlich kam ihr zu Bewußtsein, dass es fast dunkel war.
Als ihr einfiel, dass sie aufräumen konnte, statt herumzusitzen, schämte sie sich. Sie sprang auf, holte aus der Küche die Teppichkehrmaschine und einen Staublappen und machte sich fieberhaft an die Arbeit. Als sie in einem Zimmer fertig war und ein sauberes Tischtuch auf den Nachttisch gelegt hatte, wusch sie in der Küche das herumstehende Geschirr ab. Als sie auf die Uhr sah, war es halb neun. Sie setzte den Kessel auf und ging ans Bett zurück. Leamas schaute sie böse an.
»Alec, sei nicht böse, bitte, nicht«, sagte sie. »Ich versprech' dir, dass ich dann gehe, aber laß mich erst etwas Richtiges zu essen für dich machen. Du bist krank, du kannst so nicht weitermachen. Du bist … oh, Alec.« Sie verlor die Beherrschung und weinte, wobei sie die Hände vors
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