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Der Spion, der aus der Kälte kam

Titel: Der Spion, der aus der Kälte kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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pflegte sie an irgend etwas gewaltigen Anstoß zu nehmen, so, als er seinen Gummimantel an ihren Haken hängte, und sie volle fünf Minuten zitternd davorstand, bis Liz sie bemerkte und Leamas rief. Leamas ging zu ihr hin und sagte: »Was irritiert Sie, Miß Crail?«
    »Nichts«, erwiderte sie tonlos und kurz. »Gar nichts.«
    »Ist irgend etwas mit meinem Mantel?«
    »Nichts.«
    »Fein«, erwiderte er und ging in seine Nische zurück.
    Sie bebte den ganzen Tag und führte den halben Vormittag ein geflüstertes Telefongespräch in der Lautstärke von Bühnengeflüster.
    »Sie erzählt es ihrer Mutter«, sagte Liz. »Sie erzählt alles ihrer Mutter, sie erzählt ihr auch von mir.«
    Miß Crail entwickelte einen so starken Haß gegen Leamas, dass es ihr unmöglich war, mit ihm zu sprechen. An jedem Zahltag fand er regelmäßig nach der Rückkehr vom Mittagessen auf der dritten Sprosse seiner Leiter einen Umschlag mit seinem falsch geschriebenen Namen darauf.
    Als es zum erstenmal passierte, ging er mit dem Geld und dem Umschlag zu ihr hinüber und sagte:
    »Es heißt L - E - A, Miß Crail, und nur ein S«, worauf sie von einer richtiggehenden Lähmung befallen wurde. Sie verdrehte die Augen und fuchtelte ziellos mit ihrem Bleistift in der Luft herum, bis Leamas wegging. Danach führte sie ein stundenlanges, verschwörerisches Telefongespräch.
    Ungefähr drei Wochen, nachdem Leamas in der Bibliothek zu arbeiten begonnen hatte, lud ihn Liz zum Abendessen ein. Sie tat so, als sei ihr dieser Gedanke erst jetzt, an diesem Nachmittag um fünf Uhr, plötzlich gekommen. Es schien ihr klar zu sein, dass er eine Einladung für morgen oder den übernächsten Tag vergessen oder einfach nicht kommen würde, deshalb machte sie ihren Vorschlag erst um fünf Uhr. Leamas schien nicht geneigt, zu akzeptieren, aber schließlich tat er es doch.
    Während sie zu ihrer Wohnung gingen, regnete es, und ihr Weg hätte durch irgendeine Stadt, wie Berlin oder London, führen können, in der sich die Pflastersteine im Abendregen zu Lichterseen verwandeln und der Verkehr sich hoffnungslos und mühsam durch nasse Straßen schleppt.
    Es war die erste von vielen Mahlzeiten, die Leamas in ihrer Wohnung einnahm. Er kam, sooft sie ihn bat - und sie bat ihn oft.
    Er sprach nie viel. Wenn sie spürte, dass er ihrer Einladung folgen würde, deckte sie den Tisch gewöhnlich schon morgens, ehe sie in die Bibliothek ging. Sie bereitete sogar das Gemüse vorher zu und stellte Kerzen auf den Tisch, denn sie liebte Kerzenlicht. Es war ihr immer bewußt, dass mit Leamas irgend etwas zutiefst nicht stimmte und dass er wohl eines Tages, aus einem für sie nicht erfaßbaren Grund, mit ihr Schluß machen und sie ihn nie wiedersehen würde. Sie versuchte, ihm zu sagen, dass sie dies wußte.
    Sie sagte eines Abends: »Du mußt gehen, wenn du es willst. Ich werde dir nie folgen, Alec.«
    Seine braunen Augen ruhten für einen Moment auf ihr. »Wenn's soweit ist, werd' ich's dir sagen«, erwiderte er.
    Ihre Wohnung hatte nur ein Zimmer und die Küche. Im Zimmer standen zwei Armstühle, eine Schlafcouch und ein Bücherschrank, der mit Taschenbüchern angefüllt war, hauptsächlich mit Klassikern, die sie nie gelesen hatte.
    Nach dem Abendessen redete sie immer, und er lag dann auf der Couch und rauchte. Sie war nie ganz sicher, ob er ihr zuhörte, aber das war ihr auch gleichgültig. Sie kniete dann neben dem Bett und hielt seine Hand an ihr Gesicht und redete.
    Einmal fragte sie ihn: »Alec, woran glaubst du? Lach nicht, sag es mir!«
    Sie wartete, und schließlich sagte er: »Ich glaube, dass mich der Elfuhrbus nach Hammersmith bringen wird. Ich glaube nicht, dass er vom Weihnachtsmann gefahren wird.«
    Sie schien darüber nachzudenken und fragte dann: »Aber woran glaubst du wirklich?«
    Leamas zuckte die Achseln.
    »Aber du mußt doch an etwas glauben«, beharrte sie, »etwas wie Gott - ich weiß, du tust es, Alec. Manchmal hast du einen Blick, als ob du etwas Besonderes tun müßtest - wie ein Priester. Lächle nicht, Alec, es ist wahr.«
    Er schüttelte den Kopf. »Bedaure, Liz, du hast das falsch verstanden. Ich mag keinen Amerikaner und keine Public-Schools. Ich mag weder Militärparaden noch Menschen, die Soldaten spielen.« Ohne zu lächeln, fügte er hinzu: »Und ich mag keine Gespräche über das Leben.«
    »Aber, Alec, du könntest genausogut sagen -«
    »Ich sollte hinzusetzen«, unterbrach Leamas, »dass ich Menschen nicht mag, die mir sagen, was ich denken

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