Der Spion, der aus der Kälte kam
soll.«
Sie wußte, dass er ärgerlich wurde, aber sie war schon zu sehr in Fahrt, um sich noch zurückhalten zu können.
»Das kommt daher, dass du nicht denken willst, weil du dich nicht zu denken traust! Es ist irgendein Gift in dir, irgendein Haß. Du bist ein Fanatiker, Alec, ich weiß, dass es so ist, aber ich weiß nicht, in welcher Hinsicht. Du bist ein Fanatiker, der keine Menschen bekehren will, und das ist eine gefährliche Sache. Du bist wie ein Mann, der … Rache geschworen hat, oder etwas Ähnliches.«
Die braunen Augen ruhten auf ihr. Als er sprach, erschrak sie vor dem drohenden Ton in seiner Stimme.
»Wenn ich du wäre«, sagte er rauh, »würde ich mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern.« Und dann lächelte er, ein verschmitztes, irisches Lächeln. Bisher hatte er noch nie so gelächelt, und Liz wußte, dass er jetzt charmant zu sein versuchte.
»Woran glaubt Liz?« fragte er, und sie erwiderte:
»So einfach wirst du auch wieder nicht mit mir fertig, Alec.« Aber in dieser Nacht redeten sie später nochmals darüber. Leamas lenkte das Gespräch darauf, indem er sie fragte, ob sie religiös sei.
»Du hast mich falsch verstanden«, sagte sie, »ganz falsch.«
»Woran glaubst du dann?«
»An Geschichte.«
Er sah sie einen Moment erstaunt an, dann lachte er.
»O Liz … o nein … Du bist doch nicht etwa eine verdammte Kommunistin?«
Sie nickte, wobei sie wie ein kleines Mädchen errötete, denn sie war über sein Gelächter ärgerlich und doch gleichzeitig erleichtert, dass es ihn nicht weiter störte. Sie ließ ihn diese Nacht nicht fortgehen. Er verließ sie um fünf Uhr morgens. Sie war sehr stolz, aber er schien beschämt zu sein. Das konnte sie nicht verstehen.
Er verließ ihre Wohnung und ging in Richtung auf den Park die leere Straße entlang. Es war nebelig. Nicht weit die Straße hinunter, vielleicht zwanzig Meter, stand die Gestalt eines Mannes. Er trug einen Regenmantel, war klein und ziemlich dick. Er lehnte am Geländer des Parks und hob sich als Silhouette gegen den ziehenden Nebel ab. Als Leamas näher kam, schien sich der Nebel zusammenzuziehen und die Figur ganz zu umschließen, und als er sich wieder teilte, war der Mann verschwunden.
5KREDIT
Etwa eine Woche später kam er eines Tages nicht in die Bibliothek. Miß Crail war entzückt. Bis halb elf hatte sie es ihrer Mutter berichtet. Nach der Mittagspause trat sie vor das Regal, an dem er seit seinem Kommen gearbeitet hatte, und starrte mit auffällig gespielter Konzentration auf die Buchreihen. Sie gab sich vor Liz den Anschein, als prüfe sie, ob Leamas etwas gestohlen hatte.
Liz nahm daraufhin für den Rest des Tages keine Notiz mehr von ihr, gab keine Antwort, wenn sie von ihr angesprochen wurde, und arbeitete mit verbissenem Fleiß. Als der Abend kam, ging sie nach Hause und weinte sich in den Schlaf.
Am nächsten Morgen kam sie früher als sonst in die Bibliothek. Sie hatte das Gefühl, Leamas werde um so eher zurückkommen, je früher sie selbst an Ort und Stelle war; aber als der Morgen sich hinschleppte, schwanden all ihre Hoffnungen, und sie wußte, dass er niemals mehr kommen würde. Sie hatte an diesem Tag vergessen, sich Sandwiches zu machen, deshalb entschloß sie sich, mit dem Bus in die Bayswater Road zu fahren und dort in ein Buffet zu gehen. Sie fühlte sich krank und leer, aber nicht hungrig. Sollte sie sich auf die Suche nach ihm machen? Sie hatte versprochen, ihm nicht nachzulaufen, aber er hatte versprochen, ihr vorher Bescheid zu sagen. Sollte sie zu ihm gehen?
Sie rief ein Taxi und sagte seine Adresse.
Sie lief das schmutzige Treppenhaus hinauf und läutete an seiner Tür. Die Glocke schien nicht zu funktionieren, denn sie hörte nichts, als sie auf den Knopf drückte. Auf dem Fußabstreifer standen drei Flaschen Milch, daneben lag ein Brief vom Elektrizitätswerk. Sie zögerte einen Moment, dann trommelte sie an die Tür und hörte das schwache Stöhnen eines Mannes.
Sie lief die Treppe hinunter zur tiefer gelegenen Wohnung, hämmerte und läutete an der Tür. Da niemand Antwort gab, rannte sie ganz hinunter und kam in das Hinterzimmer eines Krämerladens. Eine alte Frau saß in einer Ecke und schaukelte in ihrem Stuhl vor und zurück.
»Im obersten Stock«, schrie sie fast. »Jemand ist sehr krank. Wer hat einen Schlüssel?«
Die alte Frau sah sie einen Moment an, dann rief sie in den Laden: »Arthur! Komm her, Arthur, ein Mädchen ist hier.«
Ein Mann in einem braunen Overall
Weitere Kostenlose Bücher