Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Spion, der aus der Kälte kam

Titel: Der Spion, der aus der Kälte kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
Vom Netzwerk:
verwaltungstechnisch nicht möglich. Sie wollen mir einreden, dass der Chef persönlich und ohne Wissen der Berliner Organisation den stellvertretenden Leiter der ›Abteilung‹ dirigiert. - Sie sind verrückt, Fiedler. Sie sind total verrückt!« Plötzlich begann er leise zu lachen. »Sie möchten vielleicht diese Stellung gern haben, Sie armes Schwein - so was soll's ja schon gegeben haben -, aber so etwas hat noch nie anders als mit Krach geendet.« Einen Augenblick schwiegen beide.
    Schließlich sagte Fiedler: »Dieses Geld in Kopenhagen: die Bank hat Ihren Brief beantwortet. Der Direktor ist sehr in Sorge, dass ein Fehler unterlaufen ist. Denn das Geld ist von Ihrem Kontoteilhaber genau eine Woche nach der Einzahlung wieder abgehoben worden. Das Datum der Auszahlung fällt genau in die zwei Tage des Februar, die Mundt in Dänemark verbrachte, um unter falschem Namen einen unserer amerikanischen Agenten zu treffen, der zu einer internationalen Tagung von Wissenschaftlern gekommen war.« Fiedler zögerte, dann setzte er hinzu: »Ich glaube, Sie sollten der Bank schreiben, dass alles in Ordnung ist.«

16VERHAFTUNG
    Fiedler und Leamas fuhren den Rest der Strecke schweigend zurück. In der Dämmerung sahen die Hügel wie schwarze Höhlen aus, und entfernte Lichter kämpften als winzige Punkte gegen die stärker werdende Dunkelheit wie die Lampen weit vorbeiziehender Schiffe auf See.
    Fiedler parkte den Wagen in einem Schuppen neben dem Haus, und sie gingen gemeinsam zur Eingangstür. Sie wollten gerade das Haus betreten, als jemand von den Bäumen her Fiedlers Namen rief. Sie drehten sich um, und Leamas sah zehn Meter entfernt drei Männer im Zwielicht stehen, die offenbar darauf warteten, dass Fiedler zu ihnen hinübergehe.
    »Was wollen Sie?« fragte Fiedler.
    »Wir wollen Sie sprechen, wir sind aus Berlin.«
    Fiedler zögerte. »Wo ist dieser verdammte Wachtposten?« fragte er Leamas. »An der Tür sollte doch ein Posten sein.«
    Leamas zuckte die Achseln.
    »Warum ist das Licht in der Diele nicht eingeschaltet?« fragte Fiedler. Dann schritt er langsam auf die Männer zu.
    Leamas wartete einen Augenblick. Als er nichts hörte, durchquerte er das dunkle Haus zum Anbau, einer Baracke, die sich an die Rückseite des Hauses lehnte und von einem jungen Kieferndickicht umgeben war. Die Hütte war in drei ineinander übergehende Schlafräume aufgeteilt. Den mittleren Raum hatte man Leamas gegeben, während der Raum, in den man vom Hauptgebäude zuerst trat, von zwei Wachtposten belegt war. Leamas wußte nicht, wer den dritten bewohnte. Er hatte einmal versucht, die von seinem Zimmer hinüberführende Tür zu öffnen, aber sie war verschlossen. Als er eines Morgens sehr früh seinen Spaziergang machte, entdeckte er nur, dass es ein Schlafraum war. Er hatte vom Fenster her durch einen schmalen Spalt des Spitzenvorhanges gespäht, während die beiden Posten, die ihm in einem Abstand von zwanzig Metern überallhin folgten, noch nicht um die Ecke der Hütte herumgekommen waren. Der Raum enthielt ein einzelnes Bett, das gemacht war, und einen kleinen Schreibtisch mit Papieren darauf. Er nahm an, dass er von jemandem mit der sogenannten deutschen Gründlichkeit von diesem Schlafraum aus beobachtet wurde. Aber Leamas war ein zu alter Fuchs, um sich durch Überwachung stören zu lassen. In Berlin war es ein Bestandteil des Alltags gewesen, und wenn man es nicht bemerkte - um so schlimmer: das hieß nur, dass die anderen vorsichtiger geworden waren, oder man selbst nachlässiger. Im allgemeinen entdeckte er seine Schatten immer sehr schnell. Er war eben in solchen Dingen erfahren, wachsam und hatte ein gutes Gedächtnis. Er war, kurz gesagt, in seinem Beruf sehr tüchtig. Er kannte die Art, in der sich die Beschattungsgruppen am liebsten staffelten, kannte ihre Tricks und Schwächen und die vorübergehenden Fehler, durch die sie sich manchmal verrieten. Leamas war es gewohnt, beobachtet zu werden, aber als er durch den behelfsmäßigen Gang vom Haus zur Hütte ging und in dem Schlafraum der Posten stand, hatte er das deutliche Gefühl, etwas sei nicht in Ordnung.
    Die Beleuchtung im Anbau konnte nur von einer zentralen Stelle aus, von unsichtbarer Hand, geschaltet werden. Morgens wurde er oft durch das plötzliche Aufflammen der einzigen Lampe an der Decke seines Zimmers geweckt. Abends trieb ihn gewöhnlich überraschende Finsternis ins Bett. Als er jetzt den Anbau betrat, war es erst neun Uhr, aber das Licht war schon aus,

Weitere Kostenlose Bücher