Der Spion, der aus der Kälte kam
stürzten zusammen, Leamas fiel obenauf. Der Posten rappelte sich auf, und Leamas wartete darauf, dass er es ihm heimzahlte. Aber Mundt sagte dann etwas zu dem Posten, und Leamas fühlte, wie man ihn an Schultern und Füßen aufhob, und er hörte seine Zellentür ins Schloß fallen, während sie ihn den Korridor hinuntertrugen. Er war sehr durstig.
Sie brachten ihn in ein kleines gemütliches Zimmer, das mit einem Schreibtisch und Klubsesseln hübsch eingerichtet war. Über die vergitterten Fenster waren zur Hälfte Sonnenblenden heruntergezogen. Mundt setzte sich an den Schreibtisch, und Leamas fiel in einen Klubsessel. Er hatte die Augen halb geschlossen. Die Posten stellten sich an die Tür.
»Geben Sie mir etwas zu trinken«, sagte Leamas.
»Whisky?«
»Wasser.«
An einem Waschbecken in der Ecke ließ Mundt eine Karaffe voll Wasser laufen und stellte sie zusammen mit einem Glas neben ihn.
»Bringen Sie ihm etwas zu essen«, befahl er, und einer der Posten verließ das Zimmer. Er kehrte mit einem Becher Suppe, in die eine Wurst hineingeschnitten war, zurück. Leamas trank und aß, wobei sie ihn schweigend beobachteten.
»Wo ist Fiedler?« fragte Leamas schließlich.
»Eingesperrt«, antwortete Mundt.
»Weswegen?«
»Wegen Verschwörung gegen die Sicherheit des Volkes.«
Leamas nickte langsam. »Sie haben also gewonnen«, sagte er. »Wann haben Sie ihn verhaftet?«
»Letzte Nacht.«
Leamas wartete einen Augenblick. Er versuchte, sich auf Mundt einzustellen.
»Was ist mit mir?« fragte er dann.
»Sie sind ein wesentlicher Zeuge. Sie werden freilich später selbst vor Gericht kommen.«
»Ich bin also Mitwirkender an einer Londoner Intrige, durch die Mundt verleumdet werden sollte, nicht wahr?«
Mundt nickte und zündete eine Zigarette an, die er durch einen Posten an Leamas weitergeben ließ. »Richtig«, sagte er. Der Posten kam heran und steckte Leamas die Zigarette mit nur widerwillig geleisteter Fürsorge zwischen die Lippen.
»Ein kompliziertes Unternehmen«, bemerkte Leamas. Töricht fügte er hinzu: »Sind doch schlaue Hunde, diese Chinesen.«
Mundt sagte nichts. Während des Verhörs konnte sich Leamas an die Pausen im Gespräch gewöhnen, die Mundt immer wieder einlegte. Mundt hatte eine recht angenehme Stimme, was Leamas nicht erwartet hatte, aber er sprach selten. Vielleicht war es eine der Erscheinungsformen von Mundts ausgeprägtem Selbstvertrauen, dass er nur sprach, wenn er etwas ganz Bestimmtes zu sagen wünschte, und dass er lieber ein langes Schweigen in Kauf nahm, als Austausch leerer Phrasen. Darin unterschied er sich von jenen beruflichen Vernehmern, die gerne Initiative entfalten, um eine bestimmte Atmosphäre zu schaffen, in der sie die psychologische Abhängigkeit des Gefangenen ausnützen können. Mundt verachtete jede eingefahrene Technik: Er war ein Mann der Tatsachen und der Tat. Leamas war das nicht unangenehm.
Mundts Erscheinung stimmte mit seinem Temperament überein. Er wirkte sehr sportlich. Sein blondes, kurzgeschnittenes Haar klebte stumpf und unordentlich an der Kopfhaut. Sein junges Gesicht hatte einen harten, klaren Zug und eine erschreckende Unmittelbarkeit. Es zeigte keinerlei Humor und hatte nichts Träumerisches. Er sah jung aus, aber nicht jugendlich. Auch ältere Männer nahmen ihn sicherlich ernst. Er war gut gebaut. Seine Anzüge paßten ihm, weil dieser Figur leicht etwas paßte. Es fiel Leamas keineswegs schwer, sich daran zu erinnern, dass Mundt ein Totschläger war. Er war von großer Kälte umgeben, von einer Aura rücksichtsloser Selbstgenügsamkeit, die ihn vollkommen für den Beruf des Mörders geeignet erscheinen ließ. Mundt war ein sehr harter Mann.
»Der andere Anklagepunkt, der Sie notfalls vor Gericht bringen wird«, fügte Mundt gelassen hinzu, »ist Mord.«
»Der Posten ist also gestorben, ja?« entgegnete Leamas. Ein bohrender Schmerz fuhr ihm durch den Kopf.
Mund nickte: »Angesichts dieser Tatsache ist das Verfahren gegen Sie wegen Spionage etwas theoretisch. Ich bin dafür, dass der Fall Fiedler öffentlich verhandelt wird. Das ist auch der Wunsch des Präsidiums.«
»Und Sie wollen mein Geständnis?«
»Ja.«
»Mit anderen Worten: Sie haben keine Beweise!«
»Wir werden Beweise haben. Und Ihr Geständnis werden wir auch haben.«
Es war keine Drohung in Mundts Stimme. Nichts Gekünsteltes. Kein theatralischer Trick.
»Andererseits könnte man Ihnen mildernde Umstände zubilligen. Sie sind vom Secret Service erpreßt worden;
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