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Der Spion, der aus der Kälte kam

Titel: Der Spion, der aus der Kälte kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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über ihn Bescheid?«
    »Wir haben über Mundt gesprochen.«
    »Ja«, wiederholte Fiedler, »wir haben über ihn gesprochen. Er schießt erst, und stellt die Fragen hinterher. Das Prinzip der Abschreckung. Für einen Beruf, in dem die Fragen stets wichtiger als das Schießen sind, ist dies Verhalten seltsam.«
    Leamas wußte, was ihm Fiedler erzählen wollte.
    »Es ist ein seltsames System - außer, man fürchtet die Antwort«, fuhr Fiedler leise sprechend fort.
    Leamas wartete.
    Einen Augenblick später sagte Fiedler: »Früher hat er nie Verhöre durchgeführt. Das überließ er stets mir. Er sagte immer: ›Du verhörst sie, Jens, denn das kann keiner so gut wie du. Ich fange sie, und du läßt sie singen.‹ Er verglich Menschen, die sich mit der Abwehr befassen, immer mit Malern: beide müssen hinter sich stets einen Mann mit einem Hammer haben, der zuschlägt, sobald die Arbeit beendet ist. Andernfalls würden sie das Ziel ihrer Arbeit vergessen. Er sagte immer zu mir: ›Ich werde dein Hammer sein.‹ Zuerst war es ein Scherz zwischen uns. Aber dann, als er zu töten begann, und zwar zu töten, noch ehe die Leute gesungen hatten, wurde es ernst. Hier wurde einer erschossen, dort ein anderer ermordet. Ich habe ihn so oft gefragt: ›Warum läßt du sie nicht einfangen? Warum überläßt du sie nicht mir für ein oder zwei Monate? Was nützen sie dir, wenn sie tot sind?‹ - Aber er schüttelte nur den Kopf und sagte, man müsse Disteln ausrotten, ehe sie blühen. Ich hatte das Gefühl, dass er sich die Antwort schon zurechtgelegt hatte, noch ehe ich die Frage stellen konnte. Er ist großartig in der praktischen Arbeit. Er hat mit der ›Abteilung‹ Wunder bewirkt, Sie wissen das. Er hat sich darüber viele Gedanken gemacht, oft habe ich bis spät in die Nacht hinein mit ihm gesprochen. Er trinkt Kaffee - nichts anderes als immer nur Kaffee.
    Nach seiner Meinung denken die Deutschen zuviel über sich selbst nach, als dass sie gute Agenten sein könnten. Das zeigte sich deutlich an den Arbeitsergebnissen der Abwehr. Er sagte, Abwehrleute in Deutschland seien wie Wölfe, die dauernd an trockenen Knochen herumnagen. Man müßte sie ihnen wegnehmen, damit sie sich auf die Suche nach neuen Quellen machen. Ich sehe das alles ein, ich weiß, was er meint. Aber er ist zu weit gegangen. Warum brachte er Viereck um? Warum nahm er ihn mir weg? Viereck war frisches Futter, wir hatten noch nicht einmal das Fleisch vom Knochen genagt, verstehen Sie?« Seine Hand hielt den Arm von Leamas fest gepackt. In der völligen Dunkelheit des Wagens spürte Leamas die erschreckende Intensität der Erregung Fiedlers besonders deutlich.
    »Ich habe Tag und Nacht darüber nachgedacht. Seit Viereck erschossen wurde, habe ich dauernd nach dem Grund gesucht. Ich sah nur ein vernünftiges Motiv, aber zuerst schien es mir allzu unglaublich zu sein. Ich sagte mir, dass ich wohl eifersüchtig sei, dass meine Nerven von dieser Arbeit schon angegriffen waren, wenn ich hinter jedem Baum Verrat witterte. Man wird so, wenn man in dieser Art Welt lebt. Aber ich konnte mir nicht helfen, Leamas, ich mußte einfach versuchen, es herauszubekommen. Es hatte vorher ja auch schon andere Sachen gegeben. Er fürchtete sich. Ja, er fürchtete, dass wir einmal jemanden fassen könnten, der zuviel redete!«
    »Was reden Sie da? Sie sind ja verrückt!« sagte Leamas, und in seiner Stimme war eine Spur von Furcht.
    »Es paßt alles zusammen, sehen Sie. Mundt entkam so leicht aus England; Sie haben es ja selbst gesagt. Und was erzählte Ihnen Guillam? Er sagte, man habe Mundt gar nicht fassen wollen! Warum nicht? Ich will es Ihnen sagen: er war ihr Mann. Sie hatten ihn schon umgedreht. Sehen Sie nicht den Zusammenhang? Man hatte Mundt schon gefaßt, und mit seiner Freilassung kaufte man sich seine Mitarbeit - mit der Freilassung und dem Geld, das er bekam.«
    »Ich sage Ihnen, Sie sind verrückt!« stieß Leamas hervor. »Sollte er je den Verdacht haben, dass Sie solche Geschichten in die Welt setzen, bringt er Sie um. Das ist doch Blödsinn, Fiedler. Seien Sie ruhig und fahren Sie uns nach Hause.«
    Schließlich lockerte sich der harte Griff um Leamas' Arm.
    »Hier haben Sie unrecht. Sie selbst haben die Antwort gebracht, Leamas. Deshalb sind wir auch aufeinander angewiesen.«
    »Das ist nicht wahr!« brüllte Leamas. »Ich habe Ihnen immer wieder gesagt, dass das Rondell niemanden ohne mein Wissen in der Zone hätte ansetzen können. Das war schon

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