Der Spion, der aus der Kälte kam
sie nicht fahren. Nachher werden wir sehen.«
»Sie weiß nichts, sage ich Ihnen«, brüllte Leamas. »Karden hat recht, verstehen Sie nicht? Es war von Anfang an eine geplante Sache. Woher sollte sie das gewußt haben? Sie ist nur ein enttäuschtes kleines Mädchen aus einer miesen Bibliothek. Für Sie ist sie doch völlig bedeutungslos!«
»Sie ist eine Zeugin«, erwiderte die Vorsitzende kurz. »Fiedler wird sie vielleicht vernehmen wollen.« Jetzt hieß er nicht mehr »Genosse«.
Bei der Erwähnung seines Namens schien Fiedler aus den Träumen zu erwachen, in die er versunken gewesen war. Liz sah ihn zum erstenmal mit Bewußtsein an. Seine tiefen braunen Augen ruhten kurz auf ihr, und er lächelte schwach, als habe er ihre Rasse bemerkt. Er war eine kleine, einsame Gestalt, und sie wunderte sich, wie entspannt er wirkte.
»Sie weiß nichts«, sagte Fiedler. »Leamas hat recht. Lassen Sie sie gehen.« Seine Stimme klang müde.
»Sind Sie sich klar darüber, was Sie sagen?« fragte die Vorsitzende. »Sie wissen, was das heißt? Haben Sie Ihr keine Fragen zu stellen?«
»Sie hat alles gesagt, was von ihr aus zu sagen war.«
Fiedlers Hände waren über den Knien gefaltet, und er studierte sie, als gäbe, es im Saal nichts Interessanteres.
»Es war alles sehr geschickt aufgezogen.« Er nickte. »Lassen Sie sie gehen. Sie kann uns nicht sagen, was sie nicht weiß.« Mit gespielter Förmlichkeit fügte er hinzu: »Ich habe keine Fragen an die Zeugin.«
Ein Posten schloß die Tür auf und rief etwas in den Gang hinaus. In der völligen Stille des Saales hörte man die antwortende Stimme einer Frau und ihre sich nähernden schweren Schritte. Fiedler stand unvermittelt auf, nahm Liz beim Arm und führte sie zur Tür. Als sie die Tür erreichte, drehte sie sich um und blickte zu Leamas zurück, aber Leamas starrte in eine andere Richtung, wie ein Mann, der den Anblick von Blut nicht ertragen kann.
»Kehren Sie nach England zurück«, sagte Fiedler zu ihr. »Fahren Sie heim nach England.« Plötzlich begann Liz unbeherrscht zu weinen. Die Wärterin legte den Arm um ihre Schultern - mehr als Stütze, denn als Geste des Trostes - und führte sie aus dem Saal. Der Posten schloß die Tür. Ihr Weinen entfernte sich, bis nichts mehr zu hören war.
»Es gibt nicht viel zu sagen«, begann Leamas. »Karden hat recht. Es war eine geplante Sache. Mit Karl Riemeck verloren wir den einzigen annehmbaren Agenten, den wir noch in der Zone hatten. Alle anderen waren schon vorher beseitigt. Wir konnten es nicht verstehen - es sah fast so aus, als würden sie von Mundt schon gefaßt, noch ehe wir sie angeworben hatten. Ich kam nach London zurück und ging zum Chef. Peter Guillam war da und George Smiley. George war eigentlich schon im Ruhestand. Er machte irgend etwas sehr Intelligentes - Philologie oder etwas Ähnliches.
Jedenfalls hatten sie diese Idee ausgeheckt. Wenn's nicht anders geht, muß man die Leute in ihren eigenen Fallen fangen, war die Ausdrucksweise des Chefs. Man muß die Beweggründe kennen, auf die sie ansprechen. Nach diesem Rezept haben wir es sozusagen vom Ende her ausgearbeitet. ›Induktiv‹ nannte Smiley diese Methode. Wenn Mundt unser Agent wäre, wie würden wir ihn bezahlt haben, wie sähe das in den Akten aus, und so weiter. Peter erinnerte sich, dass ein Araber versucht hatte, uns vor ein oder zwei Jahren einen Plan der ›Abteilung‹ zu verkaufen, dass wir ihn aber abgewiesen hatten. Später war uns klargeworden, dass dies ein Fehler gewesen war. Es war Peters Idee, diese Geschichte einzubauen - so, als hätten wir abgelehnt, weil wir schon alles kannten. Das war geschickt.
Sie können sich den Rest denken. dass ich scheinbar zu Bruch ging, meine Geldschwierigkeiten, die Gerüchte, Leamas habe die Kasse geklaut - all das hing zusammen. Wir brachten Elsie aus der Buchhaltung und ein oder zwei andere dazu, dass sie den Klatsch verbreiten.« Mit einem Anflug von Stolz setzte er hinzu: »Sie machten ihre Sache sehr gut. Dann suchte ich mir zum Losschlagen eben Samstagmorgen aus, denn da sind viele Leute unterwegs. Es ging durch die lokale Presse, es kam sogar in den Worker, soviel ich weiß. Inzwischen hatten Sie es hier schon aufgegriffen.« Und Leamas fügte verächtlich hinzu: »Von dem Augenblick an schaufelten Sie an Ihrem eigenen Grab.«
»An Ihrem Grab«, sagte Mundt ruhig. Er sah Leamas nachdenklich mit seinen blassen Augen an. »Und vielleicht an dem des Genossen Fiedler.«
»Sie können
Weitere Kostenlose Bücher