Der Spion der Fugger Historischer Roman
Und nun war es doch ein gewaltiger Irrtum.«
Gemma schaute Sachs mit stummem Mitgefühl an. »Vielleicht war es ja doch bloß ein Sturm, der die Blume des Meeres gepflückt hat. Und die Kampfspuren, die der Kapitän und ich auf den Trümmern im Meer sahen, waren vielleicht nur ein Zeugnis der Verzweiflung, mit der die Mannschaft der
Flor
ums Überleben gekämpft hat.«
Amman Sachs blickte hinüber zu dem Pater, der sie immer noch zu beobachten schien. Dem Fugger-Agenten schien es mit einem Male, als hätte er dieses runde, glatte Gesicht mit dem dunklen Haarkranz schon einmal gesehen. Aber wo? Nein, er musste sich irren. Sachs wandte sich wieder Gemma zu.
»Wahrscheinlich hast du recht. Vermutlich war es ein Unglück. Ein unvorhersehbarer Schicksalsschlag, der einigen Herrschaften aber ganz gut zupass kam, wenn man es recht überlegt. Eine verlorene Goldgaleone. Ein verlorener Kriegsschatz. Ein vermisster Indianerhäuptling. Ein gewaltiger Kreditbrief. Ein Friedensschluss zwischen den Erzfeinden England und Spanien, der England Luft verschafft, gegen die Aufständischen vorzugehen. Es scheint, als würden alle aus dieser Situation als Gewinner hervorgehen – nur ich nicht.«
Amman Sachs schaute sich um, als suchte er nach etwas, an dem er die in ihm aufsteigende Wut auslassen konnte. Doch er sah und fand nichts. So kämpfte er seinen Zorn schließlich mit gesenktem Haupt und geballten Fäusten nieder. Als er sich einigermaßen beruhigt hatte und den Kopf hob, schaute Gemma ihn an, als hätte sie eine Idee.
»Was ist?«, fragte Sachs, noch immer gereizt.
Ȇberleg doch mal, was du eben gesagt hast, Amman. Alle profitieren vom Untergang der
Flor
, einschließlich der Spanier. Die sehen sich durch diese Fügung des Schicksals vom letzten Anführer der Mexikaner befreit, dem Sohn des großen Montezuma. Vielleicht waren es ja die Spanier selbst, die dich ins offene Messer haben laufen lassen.«
Sachs dachte nach. »Gut möglich«, sagte er schließlich. »Deswegen auch ein Fugger als Organisator der angeblich so geheimen Überfahrt, von der aber schließlich doch sehr viele Menschen zu wissen schienen.« Der Schweizer schlug mit der Faust auf den langen Gasttisch. »Diese Dreckshunde! Sie haben mich die ganze Zeit benutzt . . . als Sündenbock, dem man die Schuld an dem angeblichen Desaster in die Schuhe schieben konnte. Die verfluchten Spanier!« Amman Sachs war immer lauter geworden, und der Wirt und die Dirne sahen sich jetzt zu ihm um. Der Pater aber stand auf und verließ mit einem »Vergelt’s Gott!« ohne zu bezahlen den Gastraum. Sachs beachtete ihn gar nicht mehr.
»Es macht auf einmal alles Sinn«, führte der Fugger-Agent stattdessen seinen zornigen Gedankengang fort. »König Philipp lässt mich zu sich nach Tomar schleppen, um herauszufinden, ob die Galeone tatsächlich untergegangen ist. Er hatte ja noch einmal eindringlich nachgefragt, ob die
Flor
auch wirklich verloren sei und bestimmt nie wiederkehren würde. Es ging gar nicht um den verlorenen Schatz – den würde er schon bei den Fuggern wiederbeschaffen können, die er ja unter Druck setzen konnte, da ihr unglücklicher Agent Amman Sachs verschuldet hatte, dass die Krone Kastiliens sich in plötzlicher Zahlungsnot befand. Philipp wollte sichergehen, dass dieser Mexikaner und sein Gefolge ein für alle Mal von der Bildfläche verschwinden. Und es musste wie ein unvermeidbares Unglück aussehen! Verdammt!« Wieder schlug der Schweizer mit der Faust auf den Tisch.
»Erinnerst du dich noch an die allgemeine Empörung, als vor zwei Jahren der Vizekönig von Neu Kastilien, Francisco de Toledo, den Inka-König Tupaq Amaru hinrichten ließ?«, fragte er nach einer kurzen Pause Gemma. »Der gesamte Klerus bis hinauf zum Papst hat bei Philipp wegen dieser grausamen Tat protestiert. Wenn er nun das Gleiche mit dem Herrscher der Mexikaner gemacht hätte, wären die Proteste noch vehementer ausgefallen als damals. Ganz sicher! Mein Gott, das war ein grandioser Mordanschlag, von den Spaniern selbst ausgeführt!«
19.
Die Wut über seine Entdeckung half Sachs, wieder genug Energie aufzubringen, um dem Fuggerfaktor in Lissabon, Batalha de Alcácer, schon am nächsten Tag einen Besuch abzustatten. Die Begrüßung der beiden Männer fiel erwartet unterkühlt aus, doch war de Alcácer über die Strafmission des Schweizers bereits informiert. Ein berittener Kurier der Fugger hatte die Nachricht knapp eine Woche vor Sachs’ Ankunft überbracht. Und es hatte
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