Der Spion der Fugger Historischer Roman
Möglichkeiten. Und wenn Amman Sachs ehrlich zu sich war, hatte die Aussicht, nach dem neu entdeckten Kontinent zurückkehren zu können, durchaus Reiz für ihn, denn in der Alten Welt würde er wohl immer nur wieder an seine Niederlagen erinnert werden.
»Wie Ihr wünscht«, sagte Sachs. »Wie aber bekomme ich eine Erlaubnis der Spanier für meinen Aufenthalt im Vizekönigreich Neu-Kastilien? Nichtspanier sind dort ja immer noch nicht gerne gesehen.«
Kasper Peutinger blickte seinen Agenten nachdenklich an. »Ihr scheint Euch über Eure Strafversetzung ja zu freuen, Sachs«, sagte er. »Das mit Eurer Aufenthaltserlaubnis lasst nur meine Sorge sein. Ihr vergesst, dass die Spanier einen Kredit aus Augsburg benötigen. Ich bin unter anderem deshalb hier in Flandern, um persönlich eine Inventur unserer Faktoreien vorzunehmen und diese gewaltige Summe für König Philipp aufzutreiben. Dabei wird sicher so etwas wie ein Passierschein für Euch herausspringen. Meldet Euch später bei meinem Schreiber; er wird Euch sagen, wo und wann Ihr Euch einzuschiffen habt!« Damit war die ungeplante Zusammenkunft beendet.
Amman Sachs verließ die Faktorei. Es war spät geworden. Der lange Fußmarsch, die Unterredung mit Kasper Peutinger, die Niedergeschlagenheit wegen seiner Misserfolge – der Fugger-Agent fühlte sich unendlich müde.
Ein Stück die Gasse vor der alten Faktorei hinunter entdeckte er Gemma, die an einem Brunnen auf einem Stein saß und sich mit dem frischen Wasser das Gesicht kühlte.
Sachs setzte sich zu ihr, nahm selbst ein Hand voll Wasser und trank. Dann erzählte er vom Gespräch mit dem Hauptfaktor, und dass es zumindest für ihn jetzt zurück nach Amerika gehen würde. Gemma ließ ihn in Ruhe ausreden. Dann sagte sie nur: »Neu-Kastilien also.« Für sie schien bereits festzustehen, dass sie Sachs auch auf dieser Reise begleiten würde.
»Willst du wirklich mit? Es wird wahrscheinlich eine Fahrt ohne Wiederkehr. Peutinger will mich in den fieberfeuchten Wäldern dort verschimmeln lassen, wie er sich ausgedrückt hat. Du solltest dir hier lieber einen ehrlichen Mann suchen und dein Glück finden.«
Gemma blickte Sachs mit einem undeutbaren Ausdruck in den Augen an, ehe sie erwiderte: »Ich habe vielleicht mein Glück noch nicht gefunden, aber den ehrlichen Mann an meiner Seite schon. Einst bist du überall dorthin gegangen, wo ich war; nun werde ich dir folgen, wohin du auch gehst.« Als Sachs einen Einwand vorbringen wollte, kam Gemma ihm zuvor: »Keine Widerrede. Das ist ein Versprechen!«
Im Grunde war Amman Sachs froh über die Aussicht, die weite Reise ins Ungewisse nicht alleine antreten zu müssen. Als Erstes suchten er und Gemma sich eine Herberge, wobei es im heruntergekommenen Brügge keine guten Gasthäuser mehr zu geben schien. So waren sie froh, dass sie bereits einen Tag später ihre sehr einfache Pension verlassen konnten, um sich zu Fuß nach dem benachbarten Ostende zu begeben. Dort sollte Sachs sich auf Anweisung der Brüggener Faktorei auf einer Pinasse einschiffen, die ihn nach Lissabon bringen würde, von wo aus seine weitere Passage organisiert werden sollte.
Ostende mit seinen gewaltigen Wallanlagen lag südwestlich von Brügge und war in einem Tagesmarsch gut zu erreichen. Der Ort lag direkt am Meer und hatte einen kleinen, gut befestigten Hafen.
Das angekündigte Schiff traf nach rund einer Woche in Ostende ein. Gemma und Amman nutzten die Zeit, die für die Reise notwendigen Besorgungen zu machen; Sachs kleidete sich obendrein nach spanischer Art neu ein. Da Sommer war, suchten sie wie die Einheimischen die Strände auf, von wo aus man bei Ebbe den Frauen der Fischer zusehen konnte, wie sie Muscheln und andere Meerestiere im freiliegenden Meeresgrund suchten. Die beiden Fremden fragten, ob sie von den für sie ungewöhnlichen Speisen kosten dürften und stellten bald erstaunt fest, dass die salzige Frische dieser Seefrüchte ihnen ausgezeichnet schmeckte.
Als der kleine Einmast-Segler mit Name
Minion
schließlich in Ostende einlief, bedauerte Amman Sachs beinahe das Ende der unbeschwerten Zeit hier am Meer. Die klare Luft, die stetige frische Brise und das gute Essen hatten ihn den ganzen Ärger vergessen lassen, der ihn und Gemma hierher geführt hatte.
Die
Minion
war ein offener Küstensegler von etwas mehr als zehn Tonnen Gewicht. Er fuhr am Tag, stets in Küstennähe, suchte für die Nacht einen sicheren Hafen auf oder ließ sich von der Ebbe auf einer Sandbank
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