Der Spion der Fugger Historischer Roman
dieser Überfahrt essen Landratten eh nie viel, da werden wir ein zusätzliches Maul leicht satt bekommen. Aber es reicht ein Frauenzimmer pro Passage.« Der Kapitän blickte Sachs fragend an, und der beeilte sich zu versichern, dass der zusätzliche Fahrgast keine Frau sei. Da würde Gemma sich halt wieder als junger Mann verkleiden müssen; das wäre kein großer Aufwand. Sich eine Koje zu teilen, würde da größere Schwierigkeiten bereiten.
Schließlich bezahlte Amman Sachs den sehr hohen Preis für den zusätzlichen Passagier und kehrte ins Gasthaus »Coroa« zurück, um Gemma zu berichten. Zu seiner Verwirrung quittierte die junge Frau die Aussicht, wieder als Mann die weite Reise antreten zu müssen, mit einem undefinierbaren Lächeln. Sie vereinbarten, dass sie sich die Kabine und Koje so teilen würden, dass Amman Sachs die Schlafstatt in den Nächten nutzen und am Tag auf Deck sein würde, während Gemma die Nächte an Deck und die Tage im Bett verbrachte.
Am selben Abend noch fanden Gemma und Amman Sachs sich an Bord der
Aviso
ein. Sie bezogen eine kleine Kajüte mit einer Luke nach achtern, in der sie über dem Wasser des Tejo die schmale Mondsichel leuchten sahen. Zu ihrem großen Erstaunen spürten sie bald, dass im Licht der klaren Nacht die Leinen eingeholt wurden und das Schiff mit einem leichten ablandigen Wind in den Tejo und dann weiter hinaus aufs Meer fuhr.
Sachs erklärte Gemma, sie könne in der ersten Nacht die gemeinsame Koje nutzen; dann trat er hinaus aufs Freideck, auf dem kein Laut zu hören war bis auf das leise Plätschern der Wellen an der Schiffswand und das Knarren der Masten und Tampen, die die Segel hielten. Der Fugger-Agent trat auf den Kapitän zu, der nahe dem Steuerstand an der Reling lehnte.
»Ist eine Fahrt in der Dunkelheit nicht gefährlich?«, fragte Sachs den Seemann, wobei er unbewusst die Stimme senkte.
Der Kapitän sah ihn an. »Ein Depeschenboot wird nach der Zeit bezahlt, die es braucht, eine wichtige Korrespondenz von einem Ort zum anderen zu bringen. Die Nacht ist klar, der Wind ungewöhnlich günstig und das Gewässer, in dem wir uns erst einmal bewegen, gut bekannt. Da kann man eine nächtliche Ausfahrt schon wagen. So sparen wir einen halben Tag ein.«
Amman Sachs sah in einiger Entfernung auf der Steuerbordseite die Silhouette des Torre de Belem in der Dunkelheit vorbeiziehen.
Der Kapitän fuhr fort: »Außerdem ist nachts mit dem Blick auf die Sterne die Navigation ungleich einfacher als tagsüber, wenn nur die Sonne zu sehen ist, die einem vielleicht den Breitengrad verrät, auf dem man sich bewegt, aber selten den Längengrad.« Der Seemann lachte leise. »Und dann, Ihr seht es ja selbst, ist heute eine wunderschöne Nacht.«
Er hatte recht. Die Luft war rein, mild und warm; eine Wohltat nach dem Gestank der Stadt. Nur ganz leicht nahm man den Geruch des Teers wahr, der aus Baumrinden gekocht und zum Abdichten und Konservieren des Holzes vor Beginn der Überfahrt überall auf dem Schiff neu aufgetragen worden war.
Sachs sah, wie der Kapitän eine gravierte runde Scheibe aus Messing aufnahm, die er – an einem Ring aufgehängt – vor sich hochhob. Es war ein Astrolabium, mit dem nach dem Sonnenstand oder den Sternen die genaue Uhrzeit bestimmt werden konnte, ebenso die genaue Position, vorausgesetzt, man hatte ein Gerät, das auf den Breitengrad abgestimmt war, den man gerade befuhr.
Als der Kapitän nach einer Weile zufrieden mit seinen Berechnung war, fragte Sachs ihn, ob er sich das magische Gerät einmal ansehen dürfe. Der Navigator gab es ihm, um dann mit den schweren Seilzügen das Ruder auf einen neuen Kurs einzustellen. Dabei warf er immer wieder prüfende Blicke auf den großen Kompass, der in eine ebenfalls aus Messing gefertigte Apparatur eingebaut war. Der Richtungsmesser lagerte im Innern eines Metallringes, in dem zwei weitere Metallringe – die Achsen jeweils um einen Viertelkreis gegeneinander versetzt – in einander drehbar eingebaut waren. Das eigentliche Instrument war im innersten Ring befestigt.
Sachs hatte einst, als er noch in Rom lebte, den Meister Gerolamo Cardano kennen gelernt, den er solche Aufhängungen hatte bauen sehen. Durch sie schien der Kompass frei im Raum zu schweben; jede Bewegung des Schiffes wurde durch die in sämtlichen Richtungen sich gegenläufig drehenden Ringe ausgeglichen. Jetzt sah Amman Sachs ein solches Wunderwerk das erste Mal im Einsatz.
»Ihr habt erstaunliche Apparate auf Eurem Schiff«,
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