Der Spion der Fugger Historischer Roman
eigentlich beförderte: königliche Depeschen. Die waren zweifellos für die Briten von großem Interesse.
Doch zu seiner Überraschung hatte Drake es offenbar noch auf etwas ganz anderes abgesehen. Pedro, der Schwarze, der nach wie vor sein selbstgefälliges Lächeln zeigte, ging auf Drake zu, bis er unmittelbar vor ihm stand, und sagte dann: »Amüsier du dich nur mit den billigen Kirchenschätzen dieses seltsamen Pfaffen. Ich werde mich derweil mit dem hier vergnügen!«
Mit einer überraschenden Körperwendung packte er Tecuichpo am Handgelenk und zerrte sie lachend zum Ausgang der Hütte. Amman Sachs war für die Dauer eines Wimpernschlags zu überrascht, um reagieren zu können; dann zog er sein Messer, das er immer noch am Gürtel trug, und stürzte mit einem gellenden Schrei auf den Schwarzen zu, doch sein Angriff erstarb so plötzlich, wie er begonnen hatte. Pedro hatte seinen goldenen Säbel gezückt und die Klinge mit einer geschickten Bewegung an den Hals des Schweizer gesetzt, ohne dabei dessen Haut zu ritzen. Sachs hatte keine Chance, sein eigenes Messer zu benutzen.
»Wag es ja nicht«, zischte der Schwarze dem Fugger-Agenten ins Gesicht. »Schlechte Zeiten für Helden!« Zornig starrte er Sachs in die Augen. Dann ließ er von ihm ab und stieß ihn von sich weg. Ohne ein weiteres Wort verschwand er mit der Mexikanerin aus der Hütte.
Amman Sachs wurde bewusst, wie leichtfertig er gerade sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte und wie knapp er davongekommen war. Er begriff, dass er sich – nach Tomar und London – nun im gefährlichsten Gefängnis befand. In einem Gefängnis, in dem keine seiner ihm vertrauten Regeln mehr galten und von dem niemand draußen in der bekannten Welt wusste, dass es überhaupt existierte. Sie waren auf Gedeih und Verderb dem Wohlwollen der wilden Seeräuberbande ausgesetzt.
22.
Pedro’s Pinnacles war, wie sich in den folgenden Tagen der Gefangenschaft herausstellen sollte, tatsächlich der Landeplatz auf einer flachen Insel, deren Ausmaße jedoch schwer zu schätzen waren. Das überwiegend von flachem Buschwerk bewachsene Eiland zeichnete sich vor allem durch die völlige Abwesenheit von Hügeln oder gar Bergen aus.
Amman Sachs, der Priester, der Kapitän der
Aviso
und die beiden Frauen durften sich weitgehend frei bewegen, wobei der Fugger-Agent jedoch bald feststellen musste, dass der Untergrund häufig aus splittrigem Fels bestand, der einem das Darübergehen fast unmöglich machte. Wenn man nicht aufpasste, konnte man sich an den scharfkantigen Steinen leicht die Fußsohlen aufschneiden.
Die Mexikanerin Tecuichpo blieb den Rest des ersten Tages zusammen mit Pedro verschwunden, kehrte dann aber still und schweigend zu den Hütten des Lagers zurück, ohne den Blick des Fugger-Agenten zu erwidern. Offenbar hatte sie schmerzliche Erfahrungen gemacht, die sie noch verschlossener werden ließen, als sie ohnehin schon war. Sachs trauerte den unbeschwerten Gesprächen und der angenehmen Nähe hinterher, die er in Lissabon und während ihrer gemeinsamen Überfahrt an Bord der
Aviso
mit der schönen Mexikanerin erlebt hatte.
Als die Reparaturen an dem spanischen Depeschenboot nach wenigen Tagen weitgehend abgeschlossen waren, verschwand die
Aviso
mit einem Teil der englischen Seeleute, darunter Francis Drake. Die
Falcon
indes blieb vor Pedro’s Pinnacles mit einer kleinen Wachbesatzung zurück. Und Pedro als Namensgeber des Landeplatzes übernahm das Kommando über das Lager und die ein Dutzend Seeleute, die die Bewachung und Versorgung der Geiseln versahen.
Amman Sachs konnte nicht umhin, den Schwarzen für seine überlegte Führung zu bewundern. Der Tagesablauf war streng organisiert; jeder Mann hatte seine festen Pflichten, die er ohne Murren auszuführen schien. Die meiste Zeit ging mit dem Heranschaffen von Schildkröten, dem Sammeln der spärlich wachsenden Früchte und dem Suchen von Feuerholz drauf. Wobei Feuer nur am Tag gemacht werden durfte, nie nachts, um vorbeifahrenden Schiffen kein verräterisches Zeichen von ihrem geheimen Lager zu geben.
Der Fugger-Agent beobachtete zu seiner Beunruhigung auch, dass sich zwischen dem Schwarzen und Tecuichpo eine seltsame Vertrautheit zu entwickeln schien. Sie sprachen in einer Sachs unbekannten Sprache miteinander, und statt Angst vor dem schwarzen Mann zu haben, begegnete die Indianerin ihm manchmal mit einer Herzlichkeit, die sie Sachs gegenüber wohl nicht an den Tag gelegt hätte.
Gemma wiederum hatte damit zu
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