Der Spion der Fugger Historischer Roman
kämpfen, dass die Mannschaften wie Motten das Licht ihre Nähe zu suchen schienen und Amman Sachs ertappte sich bald dabei, dass er Gemma wie ein besorgter Vater vor den Avancen der Matrosen zu schützen versuchte. Eine Aufgabe, die er nur schlecht erledigte, wie er selbst wusste. Er war nie Vater gewesen, nur Freund.
Mit dem Kapitän der
Aviso
überlegte Amman Sachs bei jeder sich bietenden Gelegenheit, ob es eine Möglichkeit zur Flucht aus Pedro’s Pinnacles gab. Aber da das Beiboot der
Falcon
nie lange genug in Reichweite blieb, um die darin sitzenden Seeleute zu überwältigen und die Gig zu kapern, schien die Hoffnung aussichtslos zu sein, sich selbst aus der Gefangenschaft befreien zu können.
Nach nur drei Tagen war Francis Drake mit der
Aviso
wieder zurück vor der öden Insel. Am Abend dieses Tages ließ er Sachs von seinen Leuten an Bord der
Falcon
bringen, wo er den Schweizer in seiner großen Kajüte im Achterdeckkastell erwartete. Ein Tisch war üppig für ein Abendessen gedeckt. Der Fugger-Agent sah gebratenes und gekochtes Fleisch, frische Brotlaibe und die verschiedensten Früchte, von denen er viele noch nie im Leben gesehen hatte.
»Setzt Euch, Hohensax. Ihr seit heute Abend mein Gast. Ich möchte nicht, dass Ihr nach Eurer Freilassung behaupten könntet, ich hätte Euch schlecht behandelt. Außerdem muss ich Euch ja bei Laune halten, wenn ich ein gutes Lösegeld für Euch erhandeln will.«
Amman Sachs setzte sich wie gewünscht. Er entdeckte ein drittes Gedeck mit Teller und Zinnbecher auf dem Tisch. Und als er sah, wie der Engländer sein Messer aus dem Gürtel zog und es demonstrativ vor sich in die hölzerne Tischplatte stach, als auch er sich setzte, tat der Fugger-Agent es ihm gleich.
»Glaubt Ihr ernsthaft, dass Euch irgendjemand auch nur einen Peso für mich zahlt? Ihr überschätzt meine Bedeutung, Drake.« Sachs nahm den gefüllten Zinnbecher, der vor ihm stand, und roch daran: Es war gewürzter Wein, der wundervoll duftete. Er blickte zu seinem Gastgeber.
Drake nahm ebenfalls seinen Becher und prostete dem Schweizer zu. »Auf Eure Freunde! Sachs, Ihr seid von größerem Wert für Eure Herren, als Ihr vielleicht wissen könnt. Wenngleich es mich überraschen würde, wenn ein Mann von Eurer Weitsicht noch nicht erkannt hat, was ihn in den Augen gewisser Parteien unentbehrlich macht. Es ist sogar so, dass zwei dieser Parteien aus ganz unterschiedlichen Erwägungen um Euer Leben mit mir buhlen wollen – was den Preis einer Ware in erstaunliche Höhen treiben kann, wie jeder Kaufmann weiß.«
Drake lächelte listig. Sachs erkannte wieder die ungeheure Verschlagenheit, die diesen Mann auszeichnete und überaus gefährlich machte. Doch Sachs glaubte dem Engländer auch, dass er ihn, den Agenten des größten Handelshauses der Welt, nicht ohne Grund auf so spektakuläre Weise entführt hatte. Und dies führte Sachs zu der Erkenntnis, dass er bei den Vorgängen der letzten Tage, Wochen und Monate irgendetwas für seine derzeitige Situation Wichtiges übersehen haben musste. Zumindest hatte er es nicht in seiner richtigen Bedeutung erkannt.
Sachs beschloss, seiner vertrauten Strategie zu folgen und stellte erst einmal unverfängliche Fragen.
»Verratet Ihr mir, Drake, wie Ihr es angestellt habt, unser Schiff nach zwei oder drei Dutzend Tagesreisen mitten in der Nacht auf hoher See zu finden, noch dazu bei diesem gewaltigen Sturm?« Sachs zog sein Messer aus der Tischplatte und pickte mit der Spitze die gebratenen Fleischstücke von den Holztellern.
Drake schien geschmeichelt von der Frage des Schweizers. »Spanien, Portugal und die Niederlande waren die längste Zeit die Beherrscher der Weltmeere. Von den Franzosen ganz zu schweigen, die auf erschreckende Weise in Bedeutungslosigkeit versinken. Das kommende Volk großer Seefahrer werden wir Engländer sein. Während die anderen verzweifelt damit beschäftigt sind, das Problem zu lösen, wie sie immer größere Schiffe bauen könnten, um immer mehr Schätze aus den neu entdeckten Ländern in ihre Schatzkammern zu schaffen, haben wir den Schiffsbau revolutioniert, indem wir die Grenzen der bisherigen Höchstgeschwindigkeit überschritten haben. Ist Euch schon einmal aufgefallen, dass es auf das Verhältnis zwischen der Länge eines Schiffes zur Breite ankommt, um die später mögliche Geschwindigkeit zu berechnen?
Sicher spielen auch Masten, Takelage, Gewicht und Seefahrerkunst eine Rolle, aber der Grundstein von allem ist das
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