Der Spion der Fugger Historischer Roman
dachte im ersten Moment, es wäre ein gewaltiger Fisch, der da durch die flachen Wellen auf ihn zu rauschte, so unerwartet war der Anblick. Dann packten ihn, wie eben auf dem Achterdeck der
Aviso,
wieder kräftige Hände, nur zogen sie ihn mit einem Ruck aus dem Wasser und seitlich in eine winzige Pinasse hinein. Triefend kam Sachs auf dem hölzernen Schiffsboden zu liegen.
Erstaunt schaute er in die ihm fremden Gesichter seiner Retter. Dann blickte er sich in dem kleinen Boot um, das mit zwei Reihen Riemen für vier Ruderer ausgerüstet war. Zwei Männer hatten ihn aus dem Wasser geholt, zwei andere saßen noch auf den Ruderbänken und hatten wohl mit ihrem Gegengewicht dafür gesorgt, dass das Boot bei der Rettungsaktion nicht umkippen konnte.
Einer der Männer schien in der Dunkelheit der Nacht nur aus Augen und Lippen zu bestehen. Dann erkannte Sachs, dass es Pedrowar, der Schwarze – der Gefährte Francis Drakes. Jetzt, beim Rudern, trug er sein goldenes Schwert auf den Rücken gebunden.
»Wie . . .?« Mehr brachte Amman Sachs im ersten Moment nicht hervor.
Der einstige Sklave lachte rau. »Das Meeresleuchten hat uns zu dir geführt. Man muss die See zu lesen verstehen.«
Der Fugger-Agent verstand immer noch nicht.
»Ich erkläre es dir später«, sagte Pedro und wandte sich an die anderen. »Lasst uns von hier verschwinden, Kameraden. Wir haben unsere Beute!«
Die vier Retter nahmen ihre Plätze auf den Ruderbänken ein. Den erschöpften Amman Sachs ließen sie vorne auf dem Schiffsboden liegen, wofür er auch dankbar war.
Im Takt der Ruderschläge erzählte Pedro: »Das Ankerlicht des Spaniers hat uns den Weg zu eurem Kielwasser gezeigt, und das Meeresleuchten ließ uns dann erkennen, wo du im Wasser sein musstest. Gut für dich, dass du gestrampelt hast, denn so ist das Licht nicht erloschen. Es reagiert auf Bewegung, weißt du?«
Es hörte sich einfach an, wie Pedro die ganze Sache darstellte, doch für Amman Sachs war es ein Wunder. Mitten auf dem Meer in dunkler Nacht gerettet zu werden, war schier unglaublich.
Ein neuer Gedanke kam Sachs. »Wie kommst du hierher?«, wollte er wissen.
Pedro zeigte wieder sein breites Grinsen. »Wo ich doch an Bord der
Falcon
sein sollte, nicht wahr? Nun, die Insel Tortuga«, Pedro wies mit einer Kopfbewegung hinter sich, »hat einen natürlichen Hafen, wo Drake mich abgesetzt hat. Auf der Insel hat ein Franzose das Sagen, Pierre le Grand. Dem hat Drake dich verkauft. So kann zweimal für deinen kostbaren Kopf kassiert werden.«
Sachs begriff trotz seiner Erschöpfung, dass er zwar den Wurf ins Wasser auf wundersame Weise überlebt hatte, aber nur vom Regen in die Traufe gekommen war. Er war wieder eine Geisel, nur diesmal nicht der Engländer, sondern der Franzosen. Und wer konnte wissen, welche Interessen die in diesem verwirrenden Spiel verfolgten.
Der Fugger-Agent war zu erschöpft, um einen klaren Gedanken darüber zu fassen, was ihn nun erwarten mochte. Er fiel in einen tiefen Schlaf, der von unruhigen Träumen begleitet war. Und er wachte erst wieder auf, als die niedrige Pinasse im ersten Licht des neuen Tages auf Sand auflief.
Amman Sachs erkannte rund um die flache Wölbung einer natürlichen Bucht einige niedrige Häuser, massiv aus Stein gebaut. Hinter der Siedlung lag eine gerodete Fläche, auf der zwischen alten Baumstümpfen offenbar Feldfrüchte angebaut wurden. Doch der Anblick offenbarte, dass hier alles ein wenig verwahrlost war.
Auf dem Strand lagen einige Boote, keines größer als die Pinasse, mit der Amman Sachs gerettet worden war. An einer einfach, aus Feldsteinen aufgeschichteten Kaimauer lagen Kisten und Fässer bereit, als würde hier gelegentlich ein Handelsfahrer Station machen.
Einige Leute kamen herbeigelaufen, als die Männer, die Amman Sachs gerettet hatten, ihn aus dem Boot hoben und in den Sand legten. Seine wollene Kleidung war immer noch triefnass, und sofort klebten Sand und Muschelreste an Hose und Jacke. Jetzt, da er sich nicht mehr im Schutz der Bootswand befand und der beständigen Brise vom Meer her ausgesetzt war, begann er erbärmlich zu frieren. Er zitterte am ganzen Körper und klapperte mit den Zähnen.
Einer der herbeieilenden Männer war ein noch junger Bursche von kräftiger Statur, der einen aus himmelblauem Tuch gemachten Parademantel trug, mit goldfarbenen Knöpfen, Tressen und Epauletten, doch in einem eher verwahrlosten Zustand. Da alle anderen vor ihm zur Seite wichen, vermutete Sachs in dem jungen
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