Der Spion der Fugger Historischer Roman
Mann den Anführer dieses Haufens – eben jenen Pierre le Grand.
Und in der Tat schien es so, als wollte der seltsame Soldatenoffizier in Amman Sachs seine neueste Beute begutachten. Mit einem Blick erfasste er die bedauernswerte Lage des Schweizers: »Mon dieu! Der Mann muss raus aus seinen nassen Kleidern! Bringt ihn in mein Haus, bereitet ihm den Zuber für ein Bad mit heißem Wasser. Und sorgt dafür, dass er einen guten, heißen Aufguss mit reichlich Tequila bekommt – das wird ihn wieder auf die Beine bringen!«
Der Franzose hatte in klarem Spanisch mit einem deutlichen Akzent seines Heimatlandes gesprochen, was allerdings sympathisch klang, wie Amman Sachs sogar in seinem erschöpften Zustand registrierte.
»Wir müssen ihn erst einmal herrichten, bevor die hohen Herren ihn in Augenschein nehmen können. Für einen kranken Mann mit zu kaltem Blut zahlt uns keiner mehr einen anständigen Preis«, hörte er le Grand noch sagen, ehe er wieder in einen ohnmachtsgleichen Schlaf sank.
Amman Sachs wurde das nächste Mal wach, als man ihn nackt in ein abgesägtes Holzfass setzte, in das heißes Wasser gefüllt war. Da er immer noch bitterlich fror, störte ihn die zu große Wärme nicht; er genoss es, das Leben in seinen Körper zurückkehren zu fühlen. Wer ihn von seinen nassen Kleidern befreit hatte, wollte er lieber nicht wissen. Er sah aber, dass seine Hose, seine Jacke und sein Wams vor einer großen Kochstelle aufgehängt waren, in der ein munteres Feuer prasselte. Daneben saß der Franzose in der lustigen Uniform auf einem einfachen Schemel und lächelte Amman Sachs an.
Die beiden Männer, die ihn offenbar in den Zuber gesetzt hatten, verließen nun den Raum, dessen Wände nachlässig gekalkt waren; der Boden bestand, wie der Fugger-Agent erkannte, aus gestampfter Erde.
Ohne ein Wort zu sagen, stand le Grand von seinem Hocker auf, nahm einen Zinnbecher von einem Bord und goss aus einem Kessel, der über dem Feuer hing, etwas dampfende Flüssigkeit hinein. Dann nahm er von dem gleichen Bord, von dem er den Becher genommen hatte, eine aus Holz kunstvoll geschnitzte Flasche, die mit einem Korken versehen war, öffnete sie und goss von einer klaren Flüssigkeit in den Becher, den er dann Amman Sachs reichte.
»Hier, trinkt. Es weckt die Lebensgeister.«
Amman Sachs griff nach dem Becher und fühlte die Hitze, die von dem Metall ausging. Er wunderte sich, dass der Franzose den Becher ohne sichtbare Schmerzen hatte halten können, und versuchte es ihm gleichzutun. Doch er musste den Metallbecher dann doch von einer Hand in die andere wechseln, um zwischendurch die Handflächen zu kühlen, indem er darauf pustete.
»Trinkt, solange es noch heiß ist«, forderte le Grand ihn erneut auf. Amman Sachs nahm einen Schluck und hätte fast ausgespuckt, so scharf und undefinierbar im Geschmack war das Getränk.
»Zum Teufel, was ist das?«, fragte er.
Der Franzose schien sich prächtig zu amüsieren. »Tequila. Stammt aus Mexiko. Haben wir von einem spanischen Handelsschiff erbeutet. Soll angeblich aus einer Pflanze gebraut werden, die stechen soll wie dieser Sud. Man mag es gern glauben, findet Ihr nicht?«
Amman Sachs musste ihm zustimmen. Sein Mund fühlte sich an, als hätte er Nadeln gegessen. Trotzdem leerte er den Becher jetzt in einem Zug und fühlte die wohlige Wärme auch im Körper.
»Was geschieht jetzt weiter?«, fragte der Fugger-Agent den Franzosen, als er ihm den leeren Becher zurückreichte.
»Ein Boot ist hinüber nach Hispaniola unterwegs, zur Hauptstadt La Nueva Isabela. Man wird dem dortigen Gouverneur die Nachricht überbringen, dass wir Euch hier Unterkunft gewähren und um Begleichung der uns dadurch entstehenden Kosten bitten. Ich weiß zwar nicht, was für einen Handel Ihr mit den Spaniern habt, aber Drake sagte, dass der spanische König Philipp bereit sei, jeden Preis für Euch zu zahlen, wenn er erführe, dass Ihr noch am Leben seid. Und im Augenblick macht Ihr in der Tat den Eindruck, als würde endlich das Leben zu Euch zurückkehren.«
Amman Sachs, dem es nach dem heißen Bad und dem noch heißeren Trank deutlich besser ging, verbrachte die nächsten zwei Tage in einem erstaunlich komfortablen Bett, das aus einem starken Fischernetz bestand, das man zwischen zwei Tragbalken in der Hütte aufhängen konnte. Sachs hatte so eine Liege noch nie gesehen, und der Franzose erklärte auf seine Nachfrage, dass die Eingeborenen auf Hispaniola diese »Hamáka« genannten Betten benutzten,
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