Der Spion der Fugger Historischer Roman
um im Schlaf vor umherkriechendem Getier sicher zu sein – was sehr hilfreich sei in den Breiten, in denen sie sich befänden, denn gerade hier müsse man sich vor Schlangen sehr in Acht nehmen.
Amman Sachs hatte Fieber, doch Pierre le Grand kümmerte sich weiterhin persönlich um seinen kostbaren Gast und päppelte ihn mit schmackhaftem Eintopf und noch mehr Tequila langsam wieder auf. Nach einer Weile bekam der Schweizer aber auch die Nachteile der Hamáka zu spüren – die stets leicht gekrümmte Körperhaltung, die man in dieser hängenden Matte zwangsläufig einnahm, ließ mit der Zeit die Knochen sehr schmerzen.
So war der Fugger-Agent froh, als er sich endlich so weit genesen fühlte, dass er aufstehen und die Insel Tortuga erkunden konnte. Er unternahm ausgedehnte Spaziergänge durch das wilde Land, auf dem das Meer stets in Sichtweite blieb. Tortuga war eine lang gezogene, jedoch schmale Insel, die durch einen niedrigen Bergrücken gebildet wurde. Aus einiger Höhe hatte man einen phantastischen Blick auf das Meer und die gegenüberliegende Landmasse von Hispaniola. Sachs sah in dem kristallklaren Wasser der schmalen Seestraße zwischen den beiden Inseln tückische Riffe und Kliffe, die jedoch vor dem Landeplatz mit den Hütten eine gut geschützte Hafenbucht bildeten.
Sachs nutzte seine Wanderungen aber auch, um über seine wieder einmal neue Situation nachzudenken. Bei den Spaniern, das erkannte er, würde er in größerer Sicherheit sein als bei den Fuggern. Es war ja bekannt, dass im größten Kaufmannshaus der Welt fast jeder Faktor mittlerweile tat, was er wollte und was ihm persönlich die Taschen füllte.
Das Geschäft mit Königin Elisabeth von England wäre sicher ein gewagter, aber auch lukrativer Coup gewesen – wenn es denn funktioniert hätte. Doch Amman Sachs war sicher, dass die zahlreichen Erben des großen Handelshauses als Nachfahren der berühmten Fugger eine solch verwerfliche Verabredung nie aus freien Stücken getroffen hätten. Für den Regierer Martin Fugger und vor allem für den Hauptfaktor Kasper Peutinger hätte Sachs seine Hand allerdings nicht ins Feuer legen wollen, was deren Integrität betraf.
Amman Sachs kam nach reiflicher Überlegung zu dem Schluss, dass er auf irgendeine Weise an sämtliche Familienmitglieder der Fugger herankommen musste, die das gewaltige Erbe verwalteten, um die Sachverhalte ein für alle Mal zu klären. Was er von Drake über die Geschäfte erfahren hatte, die im Namen der Fugger getätigt worden waren, musste vor diesen selbst besprochen werden. Er, Amman Sachs, stand immer noch unter dem Eid, den er einst Anton Fugger persönlich geleistet hatte – und nur, wenn Anton Fuggers Söhne, Enkel und Neffen für das Schicksal der
Flor de la Mar
tatsächlich die Verantwortung trügen, würde er sich von diesem Eid freisprechen lassen.
Es mochte vier oder fünf Tage her sein, seit Amman Sachs von seinen Rettern aus dem leuchtenden Meer gezogen worden war, als er auf einem seiner Spaziergänge am östlichen Horizont die Mastspitzen eines Schiffes entdeckte. Obwohl der Segler noch viele Meilen entfernt sein musste, erkannte Sachs, dass es eine
caravela latina
war, eine iberische Karavelle mit den typischen dreieckigen Lateinersegeln. Sie mochte vielleicht vierzig bis fünfzig Schritte (1 Schritt = ca. 0,75 Meter) lang sein und hatte trotz ihrer vergleichsweise geringen Größe drei Masten, was sie für eine Karavelle offenbar sehr schnell machte. Das Schiff kam rasch näher, und bald wurde klar, dass es den natürlichen Hafen von Tortuga anzusteuern plante.
Zu seiner Überraschung sah Amman Sachs, als der Segler nahe genug war, dass hoch am Großmast eine portugiesische Standarte wehte. Das war umso ungewöhnlicher, als sich seit dem Vertrag von Tordesillas kein portugiesisches Schiff so weit nach Westen wagte. Im Jahr 1494 hatte der damalige Papst Alexander VI. als Reaktion auf die Entdeckung der Neuen Welt durch Christoph Kolumbus die neu entstandenen Kolonien an einer Demarkationslinie 370 spanische Leguas (ca. 1770 km; entspricht der Länge von 46° 37‘ West) westlich der Kapverdischen Inseln zwischen Portugal und Spanien aufgeteilt. Der Vertrag war seitdem nie in Frage gestellt worden.
Erwartet wurden Spanier, die Sachs aus seinem Gastrecht auf Tortuga auslösen sollten – aber kamen jetzt Portugiesen? Der Fugger-Agent erinnerte sich, dass er den spanischen König Philipp seinerzeit auf der geheimen portugiesischen Kreuzritterburg
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