Der Spion der Fugger Historischer Roman
Stelle passierten, an der mutmaßlich die Trümmer der gesunkenen Goldgaleone gesichtet worden waren. Sachswar, als würde ihm das gewiss inunendlichen Tiefen liegende Wrack des gescheiterten Seglers etwas zurufen wollen. Es konnte aber auch sein, überlegte der Fugger-Agent, dass ihn das dauernde Alleinsein in der verfluchten Kammer langsam, aber umso nachhaltiger den Verstand raubte.
Tatsächlich war Lissabon das Ziel der Reise, und Amman Sachs vermutete auch darin wieder Zeitgründe, würde man doch von Lissabon aus auf dem Landweg wesentlich schneller vorankommen, als wenn man erst halb um die iberische Halbinsel fahren würde, um Spaniens Haupthafen Sevilla zu erreichen.
Zu seiner abermaligen Verwunderung war es aber nicht Lissabon selbst, was er erblickte, als man ihn eines Abends in der Dämmerung endlich aus seinem Verlies befreite und auf Deck holte. Sie befanden sich offensichtlich auf einem Fluss, nicht im Hafen von Lissabon. Das Beiboot wurde gerade zu Wasser gelassen. Und als Amman Sachs sich zu orientieren versuchte, sagte ihm einer der Mönche, dass man ein Stück vor Vila Franca de Xira liege, also bereits eine gute Strecke den Tejo flussaufwärts. Amman Sachs begriff: In Lissabon gab es eine Fuggerfaktorei und einen Faktor namens Batalha de Alcácers, dem man wohl seine Ankunft in Portugal um jeden Preis verheimlichen wollte.
Als Sachs ans Ufer blickte, sah er dort einen anderen alten Bekannten, dessen Anwesenheit nur zu verständlich war: Es war Alfonso de Escobar, Cancellarius von König Philipp, der wieder seine riesenhafte Kutsche dabeihatte.
Als Amman Sachs aus dem Beiboot an Land trat, reichte der Kanzler ihm einen hilfreichen Arm. Und Sachs fragte anstelle einer Begrüßung nur: »Tomar?« Escobar lächelte nach einer Pause und antwortete dann: »Tomar!«
Während der Fahrt in der Kutsche, die Amman Sachs auf eigentümliche Weise vertraut vorkam, fielen die Last und die Anspannung seiner bestandenen Abenteuer allmählich von ihm ab. Es war nach dem Auf und Ab seiner Reise nun so, als würde sich ein Kreis schließen. Er war wieder auf den Weg zu der alten geheimen Kreuzritterburg, in der er zum dort vorhandenen geheimen Wissen nun neue, nur wenigen bekannte Informationen beitragen konnte. Beim ersten Mal hatte diese Kutschfahrt ins Ungewisse geführt, und Sachs war voller Sorge gewesen, was ihn erwartete. Jetzt war er irgendwie auf den letzten Metern vor seinem Ziel, und das, was damals Ungewissheit gewesen war, hatte sich zwischenzeitlich als die Erfüllung vieler seiner schrecklichsten Albträume erwiesen. Aus manchen dieser schlimmen Visionen hatte Amman Sachs sich allerdings noch nicht völlig wieder befreit.
»Erlaubt Ihr eine Frage, Herr?«, wagte Sachs das erneut zwischen ihm und den Cancellarius herrschende, diesmal jedoch deutlich angenehmere Schweigen zu beenden.
Der Kanzler schaute ihn an, diesmal gutmütiger als bei ihrer ersten Begegnung. »Nur zu«, sagte er dann.
»Ist Spanien auf einen großen Krieg vorbereitet?«, wollte Sachs schließlich wissen, wobei das nicht die eigentliche Frage war, die er ursprünglich hatte stellen wollen. Er hatte an Tecuichpo und Gemma und ihr unbekanntes Schicksal denken müssen. Sie waren vor Tortuga in der Gewalt der Engländer mit unbekanntem Ziel davongesegelt. Von den Engländern waren Sachs’ Gedanken zu Francis Walsingham geschweift – und zu dessen Offenbarung, dass die Briten die Entscheidungsschlacht mit Spanien früher oder später suchen würden. So war von Amman Sachs’ vielen Gedanken nur die Frage geblieben, ob Spanien auf diese drohende Konfrontation vorbereitet war.
Der Fugger-Agent spürte, wie der Kanzler seine ruhige Gelassenheit verlor. »Also haltet Ihr nach allem, was Ihr erlebt habt, den großen Krieg für unausweichlich, Hohensax?« Escobar atmete tief durch. »Es wirft ein trauriges Licht auf das Ergebnis Eurer vielen Abenteuer, mein Freund. Aber es bestätigt die schlimmen Befürchtungen, die wir und auch der König bereits seit einiger Zeit hegen. Nein, Spanien ist auf einen solchen Krieg schon lange nicht mehr vorbereitet. Spanien ist noch ganz damit beschäftigt, seine überragende Größe zu feiern. Einen Mahner, der darauf hinweist, dass andere größer werden könnten, will hier niemand hören.«
Sie erreichten die Kreuzritterburg am Mittag des nächsten Tages. Wieder herrschte geschäftiges Treiben auf dem Fahrweg, der zur eigentlichen Festung hinaufführte. Diesmal jedoch sorgten Bewaffnete dafür,
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