Der Spion der Fugger Historischer Roman
nach Spanien noch alles zu tun und zu organisieren war.
Die meiste Arbeit machte zweifellos das Verladen des schweren mexikanischen Goldthrons, der zwar in seine großen Leinentücher gehüllt war, doch das Raunen und die erstaunten Blicke der Menschen ließen erkennen, dass sie zumindest ahnten, um was es sich bei diesem behutsam transportierten und aufwendig eskortierten Stück handeln musste. Und als Dutzende von Männern – Spanier wie Mexikaner – das riesenhafte, schwere Gebilde über die Bordwand der Goldgaleone hieven wollten, verrutschte ein Stück der schützenden Leinentücher und gab den Blick auf das in der Sonne blitzende Metall frei. Die Fassungslosigkeit und die ehrfürchtige Andacht der Schaulustigen und auch der Träger über diesen unfassbaren Schatz waren mit den Händen zu greifen. Aber auch Gier nach diesem unermesslichen Reichtum war zu spüren.
Amman Sachs machten diese Beobachtungen einige Sorgen. Viel zu viele Menschen bekamen mit, was hier verladen wurde. Sicher, die Leute aus der Stadt – egal ob aus dem alten oder neuen Veracruz – waren die Anwesenheit großer Schätze gewohnt und hatten eine gewisse Gelassenheit gegenüber solchen Verlockungen entwickelt. Aber dieser Goldschatz war etwas Außerordentliches, auch für die Menschen im größten Silberhafen der Welt; das war Amman Sachs auf jeden Fall klar. Und wo die Gier auf den Plan trat, war die Verschlagenheit nicht weit.
Amman Sachs zermarterte sich das Hirn, wie er seinen Auftrag ausführen sollte, diesen unermesslichen Schatz sicher nach Europa und nach Spanien zu bringen. Er konnte sich gut vorstellen, dass Leute den Ort verließen – verstohlen und im Schutz der Nacht –, um Verschwörern von den bald aufbrechenden Schatzfahrern Nachricht zu geben.
Und gerade die Engländer waren ja schon in früheren Jahren nie weit weg gewesen, wenn es galt, den Spaniern empfindliche Verluste zuzufügen, zumal, wenn es um deren Schätze aus der Neuen Welt ging . . .
Ja, vor allem vor den Engländern würde er sich mit seiner kostbaren Fracht in Acht nehmen müssen. Und wieder einmal kam Amman Sachs die Anwesenheit des rätselhaften Engländers in Nombre de Dios mehr als ungewöhnlich vor.
Sachs dachte nun eingehend darüber nach, wie er die Passage seines Schiffes sicherer machen konnte. Und je länger er darüber nachsann und sich vom Ufer aus die große
Flor de la Mar
mit ihren hohen Steven, dem aufwendig geschnitzten Heckkastell und die Kanonenluken dazwischen anschaute, umso deutlicher fühlte er, wie eine Idee in ihm reifte, eine wagemutige List, die vielleicht sogar ein wenig verrückt war. Doch um so interessanter fand Sachs schließlich diese Alternative für die geplante Überfahrt des Konvois.
Doch er kam auch nicht umhin, seine sich verändernden Pläne mit dem Vizekönig von Neuspanien, Martín Enríquez de Almansa, zu besprechen. Denn schließlich konnte letztlich nur er die notwendigen Befehle für die Kommandeure und Kapitäne der Flotte aussprechen. Also bat der Fugger-Agent abermals in der Casa de Cortés um Einlass und wurde sogleich wie bei seinem ersten Besuch in die Empfangshalle geführt, wo der Vizekönig ihn bereits erwartet zu haben schien.
Als der Schweizer seine Idee vorgebracht hatte, herrschte für einen Moment tiefes Schweigen in dem großen Raum. Amman Sachs sah, wie der Vizekönig und Stellvertreter Philipp des Zweiten in Mexiko langsam die Augen schloss, als müsste er intensiv über das Gehörte nachdenken. Dann öffnete er wieder die Augen und fixierte seinen Besucher mit einem wohl kalkulierten Blick. Und das Lächeln, das de Almansa dabei aufsetzte, wollte Amman Sachs gar nicht gefallen.
»Was für ein brillanter Vorschlag, mein Freund. Was für ein Wagemut! Aber ja , die
Flor de la Mar
ist ein ausreichend großes Schiff, das sich auch sehr gut alleine verteidigen könnte. Und als Leitschiff eines Konvois würde es nur durch zusätzliche Pflichten belastet, falls es beim Angriff eines Feindes andere Schiffe der Flotte verteidigen müsste. Wenn die
Flor de la Mar
jedoch allein segelte, wie Ihr es vorschlagt, wäre sie beweglicher und dank ihrer riesigen Segelfläche auch viel schneller als mit den alten Karavellen und Karacken im Schlepptau.« Der Vizekönig nickte. »Ja, Ihr habt recht. Sogar bei der Wahl seiner Fahrtroute wäre der Kapitän der Galeone freier. Er könnte sich dank der Größe seines Schiffes weiter von den bekannten Küsten entfernen und eine verwegenere Route wählen, auf
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