Der Spion der Fugger Historischer Roman
die ein Gegner sich niemals wagt und wo er eine allein segelnde Galeone ohnehin nie vermuten würde.«
So viel Lob und Zustimmung kamen dem Agenten der Fugger denn doch ein wenig seltsam vor, zumal er selbst noch Bedenken hatte, was seine auf den ersten Blick so grandiose Idee betraf, die
Flor de la Mar
alleine auf See zu schicken, womit wohl keiner der möglichen Feinde von sich aus rechnete.
»Aber würde dem Schiff trotz allem etwas zustoßen, wäre niemand da, ihm zu Hilfe zu eilen«, wandte er ein. »Kann man bei einer so wertvollen Fracht dieses Risiko eingehen?«
Wieder nickte der Vizekönig. »Es ist eine Abwägung zwischen zwei Alternativen, die beide nicht erstrebenswert sind, Meister Sachs«, sagte er. »Es ist nur ein kleiner Konvoi, der überhaupt auf Fahrt gehen kann. Einer gegnerischen Flotte, die auch nur halbwegs gut organisiert ist, wären unsere Schiffe bestimmt unterlegen. Doch auf den großen Konvoi könnt Ihr nicht warten, denn er wird erst in einem halben Jahr aufbrechen, und bis dahin wäre der Tempelschatz der Mexikaner hier bei uns nicht sicher, ganz zu schweigen von Euren Passagieren.
Andererseits wäre ein allein reisendes Schiff von der Größe der
Flor de la Mar
für eine gegnerische Flotte schwerer auszumachen. Außerdem wird die Galeone trotz der kostbaren Fracht leichter sein als ein gewöhnliches Schatzschiff, das neben seiner normalen Fracht stets auch das Schmuggelgut der Besatzung und vor allem der Offiziere transportieren muss. Ihr wisst, dass ein normales Frachtschiff meist die doppelte bis dreifache Menge der verzeichneten offiziellen Fracht trägt. Ein Kommando für ein Amerikaschiff ist teuer; diese Kosten wollen für die Offiziere wieder hereingeholt sein. Bei Eurem Schiff ist das alles anders. Es wird leichter und damit schneller sein. Mit dem vielen Gold im Leib wird es gut im Wasser liegen und sich sicher steuern lassen. Ein Vorteil, wenn man auf den Feind trifft. Ein Vorteil, der sich jedoch ins Gegenteil verkehren kann, wenn die Galeone anderen Schiffen im Zweifel zur Hilfe eilen müsste. Nein, mein guter Sachs. Eure Idee ist vortrefflich. Sie hätte von mir sein können. Der König hat eine kluge Wahl getroffen, als er Euch diese heikle Mission anvertraut hat.«
Plötzlich veränderte sich die Gestik des Vizekönigs, und mit höfischer Theatralik versuchte er, einen offenbar wichtigen Gedanken in Worte zu kleiden. Amman Sachs wusste dieses inszenierte Getue nicht auf Anhieb richtig zu deuten und wartete gespannt, was der Vizekönig zu sagen hatte. Schließlich erklärte der:
»Mein lieber Hohensax, mir fällt noch etwas ein, das von außerordentlicher Bedeutung sein dürfte. Ich vermute stark, dass der Feind gezielt Eurer Person folgt, um auf diese Weise auch dem Gold zu folgen. Ah, ich sehe Euch an, dass Ihr in dieser Sache genauso denkt wie ich. Jedenfalls dürfte es angeraten sein, dass Ihr getrennt vom Schatz und der
Flor de la Mar
in die Heimat reist, damit auch Ihr selbst zu einem Teil des geschickten Verwirrspiels werdet, zu dem Ihr die Überfahrt der Galeone machen wollt. Das Beste wäre, Ihr fahrt dem Goldschiff im Konvoi voraus, damit der Feind im schlimmsten Fall zu einem für ihn wertlosen Schiff gelockt wird, falls er sich auf Eure Fährte setzt.«
Was für ein beängstigender Gedanke. Er, Amman Sachs, sollte der Köder sein, mit dem die Widersacher auf eine falsche Spur gelockt werden sollten! Aber glaubte der Feind tatsächlich, dass das Gold der Mexikaner dort sein musste, wo Amman Sachs war?
Wenn es so war, dann war es ein guter Vorschlag, den Feind auf diese Weise in die Irre zu führen. Eine solche Vorgehensweise bot obendrein einen weiteren Vorteil: Da er, Amman Sachs, vor dem spanischen König ja für den Transport von Fracht
und
Passagieren verantwortlich war, endete seine Pflicht nicht mit der Ankunft in einem Hafen der Alten Welt, sondern erst im El Escorial, dem Palast König Philipps. Würde er der Goldgaleone also vorausreisen, könnte er den notwendigen und ebenfalls nicht ungefährlichen Weg des Schatzes über Land besser vorbereiten und organisieren.
Der Vizekönig hatte offensichtlich an Sachs’ Mienenspiel dessen Zustimmung zum vorgebrachten Plan ablesen können.
»Ich freue mich, mein Freund, dass Ihr meinem Vorschlag Vertrauen schenkt«, sagte er. »Und es ist ja auch so, dass hochrangige Mitarbeiter der Fugger sich nie in unnötige Gefahr bringen, indem sie zusammen mit einer wertvollen Fracht reisen, weil dann besagte
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