Der Spion der Fugger Historischer Roman
kostbare Fracht und wertvolles Personal auf einen Schlag verloren gehen könnten. Es ist schlimm genug, eines von beiden zu verlieren. Wie schwer wiegt da erst das Risiko, Fracht
und
treue Gefolgsleute in die Hände der Feinde fallen zu sehen?«
Ammann Sachs hatte von einer solchen Strategie der Fugger zwar noch nie gehört, doch es erschien ihm vernünftig, was Vizekönig da Almansa vorbrachte: Jede Fracht war wertvoll, und jeder loyale Mitarbeiter noch um einiges mehr.
In diesem Moment öffnete sich unvermittelt die Tür der Empfangshalle, sodass beide Männer wie auf ein Kommando aufschauten. Eine wunderschöne Frau betrat den Saal, eine Indiofrau in spanischer Kleidung. In stolzer, aufrechter Haltung trat sie mit geschmeidigen Schritten vor den Vizekönig hin.
Der Fugger-Agent schaute de Almansa an, aber der machte keine Anstalten, sich aus Höflichkeit zu erheben. Anscheinend stand seiner Ansicht nach einer Indianerin – selbst einer offenbar vornehmen Dame – diese Ehrerbietung nicht zu. Also blieb auch Sachs sitzen, wenngleich er diese grobe Unhöflichkeit fast als körperlichen Schmerz empfand.
»Exzellenz haben mich rufen lassen?«
Sachs wunderte sich über das gute Spanisch der Frau, das jedoch von einem exotischen Akzent gefärbt war.
Der Blick, mit dem der Vizekönig die vielleicht zwanzigjährige Frau musterte, verriet unverhohlene Lüsternheit. Doch auch Amman Sachs konnte den Blick nicht von den langen schwarzen Haaren der Schönen, der tiefbraun schimmernden Haut und den dunklen Augen nehmen, die wie unergründliche schwarze Seen waren. Er spürte die blühende Vitalität des Mädchens geradezu körperlich, und es erschreckte ihn, als mit einem Mal die Begierde in ihm erwachte. Was für einen machtvollen erotischen Zauber diese schöne Frau besaß!
Doch die nächsten Worte des Vizekönigs holten Sachs aus seinen Träumen zurück. »Danke, dass du meiner Bitte nachgekommen bist«, sagte er zu der jungen Frau. »Ich möchte dir den Mann vorstellen, der dich und den Prinzen nach Spanien bringen wird. Freiherr von Hohensax«, wandte der Vizekönig sich an den Agenten der Fugger, »das ist Tecuichpo, eine Mexikanerin von edler Herkunft. Sie war die ausersehene Schwiegertochter König Montezumas. Eine rassige Stute, wie Ihr gewiss bestätigen werdet . . .« Als Sachs schwieg, fuhr der Vizekönig fort: »Eine süße Frucht, wie ich aus zuverlässiger Quelle weiß. Bei Gelegenheit solltet Ihr davon kosten.«
Amman Sachs war irritiert von der Wortwahl des Vizekönigs, sprach er von der schönen Mexikanerin doch wie von einer Ware, einem guten Wein vielleicht, den man unbedingt probiert haben sollte, oder einem saftigen Stück Fleisch, das an Geschmack nicht zu übertreffen war. Sachs bemerkte aber auch, dass die Mexikanerin sich durch die beleidigenden Worte in keiner Weise aus der Ruhe bringen ließ. Jede europäische Frau wäre bei solchen Worten vor Scham im Boden versunken. Doch Tecuichpo behielt ihre Würde und ihren Stolz bei und degradierte allein durch ihr Schweigen den Vizekönig zu einem verachtenswerten, ungehobelten Barbaren.
Doch durfte Amman Sachs es wagen, gegenüber seinem Gastgeber für die Ehre Tecuichpos einzutreten?
»Ich glaube nicht, dass ich einer solch köstlichen Speise der Götter würdig wäre«, erwiderte er schließlich auf die derben Worte des Vizekönigs. »Ich werde mich darauf beschränken, mich am Anblick von so viel Schönheit zu erfreuen.«
Während er sprach, versuchte Amman einen Blick in die Augen der schönen Mexikanerin zu werfen. Und für einen Moment meinte er das erwartete leichte Funkeln tatsächlich darin erblicken zu können. Der Vizekönig jedoch hatte offensicht lich nicht verstanden, was Amman Sachs eigentlich gesagt hatte.
»Wie Ihr meint, Hohensax. Aber glaubt mir, Ihr lasst Euch da eine echte Gaumenfreude entgehen.« Plötzlich änderte sich der Tonfall de Almansas. »Da fällt mir ein, mein Freund – was würdet Ihr davon halten, wenn Tecuichpo mit Euch zusammen in die Heimat reist? Zumindest in mein heimatliches Spanien? Der Prinz mit dem Gold und der Galeone, und Ihr und die Mexikanerin mit einem der schnellen Pinassschiffe voraus? Meint Ihr nicht, dass unsere kostbare Fracht dann noch sicherer ist? Wo eine Mexikanerin ist, könnte ein Verräter auch den Rest eines gesuchten Schatzes vermuten. Es würde die Tarnung noch ein wenig besser machen.«
Sachs suchte den Haken an diesem Vorschlag, nach irgendeiner Niedertracht, nach einer den
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