Der Spion der Fugger Historischer Roman
einer sehr regelmäßigen Schrift beschrieben war. Peutinger las kurz den Inhalt; dann wandte er sich wieder Sachs zu.
»Was fangen wir nun mit Euch an? Für weitere überseeische Missionen habt Ihr Euch ja nicht gerade empfohlen, wobei sich just in diesem Moment die nördlich und östlich von Neuspanien gelegenen, noch weitgehend unbekannten Gebiete der Neuen Welt sehr interessant zu entwickeln scheinen. Nicht unter den Spaniern oder Portugiesen, aber . . .« Der Hauptfaktor stockte, als würde er in tiefes Nachdenken versinken.
Amman Sachs horchte auf: Welche andere Macht als die Spanier oder Portugiesen war ernsthaft in der Lage, Entdeckungsreisen in unbekannte Gebiete der Welt zu unternehmen? Kein anderes Land außer den beiden Seefahrermächten auf der iberischen Halbinsel hatte das nötige Wissen über Schiffbau und Navigation, um sich in unbekannte Regionen vorzuwagen.
Gewiss, auch die Engländer, Franzosen und Holländer drangen in überseeische Gebiete vor, aber bisher stets ausschließlich in den bekannten Fahrwassern der Spanier und Portugiesen, den einzigen echten Seefahrernationen der Welt. Gestohlene Seekarten und bestochene Navigatoren waren dabei der wichtigste Wegweiser der Verfolger. Aber selbst die unerforschten Meere zu erkunden . . .? War irgendein anderes Land tatsächlich schon so weit in die gut gehüteten Geheimnisse der Iberer vorgedrungen?
Amman Sachs hatte ja mit eigenen Augen gesehen, wie gut dieses geheime Wissen an Orten wie der Christusritterburg in Tomar geschützt wurde. Oder war der Umstand, dass jemand wie er, Amman Sachs, diese Geheimnisse schauen durfte, auch ein Indiz dafür, dass dieses Wissen sich nicht länger vor der Welt verheimlichen ließ?
»Von welcher Macht redet Ihr, Meister Peutinger?«, fragte Sachs, den die Antwort auf diese Frage brennend interessierte. Der Angesprochene sah den Fugger-Agenten an, schüttelte aber nur den Kopf und legte das Papier, das er immer noch betrachtet hatte, zurück auf den Tisch.
»Das ist nichts, was Euch interessieren dürfte. Oder sollte. Ich habe nur laut gedacht. Aber ich glaube, ich habe jetzt die geeignete Aufgabe für Euch, Sachs, bei der Ihr keinen weiteren Schaden anrichten könnt. Es hat ja keinen Sinn, Euch hier nutzlos bei Kost und Logis herumlungern zu lassen.« Peutinger sah dem Schweizer nun direkt in die Augen. »Und die Eurigen werden es mir danken, dass Ihr sie nicht allzu lange mit Eurer Anwesenheit belastet!«
Wieder trat eisiges Schweigen ein. Und Amman Sachs war sich nun sicher, worum es dem Hauptfaktor dabei ging, dass er ihn so schnell wie möglich aus Augsburg verschwinden sehen wollte.
10.
Es war kurz nach Sonnenuntergang, als Amman Sachs endlich die Fuggerhäuser verlassen konnte und mit seinem Reisepacken hinaus auf die Via Claudia trat. Er war unschlüssig, ob er jetzt die wenigen Straßen hinüber zur Fuggerei gehen sollte, die von Jakob Fugger erbaute Armensiedlung. In dieser Siedlung südöstlich der Fuggerhäuser, die sich über mehrere Straßenzüge erstreckte, wohnte auch Amman Sachs mit seiner Frau Johanna.
Als sie vor vielen Jahren nach der überstürzten Abreise aus Rom nach Augsburg gekommen waren, hatte Anton Fugger sie dort in einer der großzügigeren Verwalterwohnungen untergebracht. Was ursprünglich nur als Übergangslösung gedacht war, hatte sich zu einer dauerhaften Lösung entwickelt, da Amman Sachs ohnehin die meiste Zeit für seinen Handelsherren auf Reisen war und deshalb kaum Gelegenheit hatte, sich um ein neues Heim für seine Frau und sich selbst zu kümmern.
Doch in einer Armensiedlung leben zu müssen war sicherlich auch ein Grund, warum Johanna Sachs mit ihren Lebensumständen als Angetraute von Amman Sachs alles andere als zufrieden war. Sie hatte einst den Freiherrn von Hohensax geheiratet – und nun?
Amman Sachs seufzte tief. In einiger Entfernung sah er den Nachtwächter mit seiner Laterne und seiner Hellebarde langsam seinen Weg gehen. Der Wächter blickte kurz zu dem späten Passanten herüber, erkannte dann aber wohl den Fuggermann und wandte sich in anderer Richtung wieder seinem Rundgang zu.
Die Stadt war ruhig. Sachs sah zu den Fenstern der Fuggerhäuser hinauf, von denen nicht wenige den Schein von Kerzen und Leuchtern zeigten. »Der Fugger schläft nie.« Wie wahr dieser Ausspruch an diesem Ort doch war!
Amman Sachs beschloss, die Begegnung mit seiner Johanna noch ein wenig hinauszuschieben. Stattdessen machte er sich auf den Weg zum nördlichen
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