Der Spion der Fugger Historischer Roman
einen Moment wunderte sich Amman Sachs, woher Peutinger den Namen der Goldgaleone wusste. Aber die nächste Frage des Vorgesetzten ließ kein langes Nachdenken darüber zu.
»Ihr berichtet von Trümmern auf See. Von wem stammt diese Beobachtung?«
Amman Sachs hatte gehofft, dass auch der Hauptfaktor diese Information einfach hinnehmen würde, ohne Interesse für deren Quelle zu zeigen. Dem Kapitän der Leitkaravelle des Konvois hatte Sachs schließlich versprochen, ihn nicht als Zeugen zu benennen. Und von der Existenz seiner Gehilfin Gemma wusste kein Mensch – und das sollte auch so bleiben.
»Ich hatte einen Seemann des nachfolgenden Konvois dafür bezahlt, die Augen mehr als alle anderen aufzuhalten«, log der Agent.
»Und der Mann kannte sich mit den Maserungen der spanischen Kiefer aus?« Dem Hauptfaktor war deutlich anzuhören, dass er Sachs nicht glaubte. »Das muss ja ein ganz besonderer Seemann gewesen sein . . .« Peutinger holte tief Luft. »Aber sei’s drum. Doch zu Heiterkeit, wir Ihr sie vorhin gezeigt habt, gibt das alles keinen Anlass. Ihr seid Euch der verheerenden Konsequenzen Eures Versagens offensichtlich noch nicht bewusst, will mir scheinen.«
Amman Sachs räusperte sich. »Oh doch. Mehr als Ihr sehen könnt, verzehrt mich diese Katastrophe. Wobei mich der Verlust all der Menschen auf der Galeone mehr erschüttert als die Abschreibungen auf Schiff und Fracht. Es sieht ja so aus, als wären sie alle verloren. Ich«, der Agent veränderte nun bewusst seinen Tonfall, »habe niemals deren Tod gewollt!«
Wie erwartet blickte der Hauptfaktor alarmiert auf. Also hatte auch er vorhin den erbosten Ausruf des Regierers gehört. Sachs aber war klug genug, nicht nach der Bedeutung des Engländers und die Ursache für dessen Auseinandersetzung mit dem Prinzipal zu fragen.
»Gewollt hat das wohl niemand«, sagte Peutinger schließlich vorsichtiger als zuvor. »Aber es lässt sich jetzt auch nicht mehr ändern. Leider. Die Seefahrt ist nun einmal ein riskantes und gefährliches Unternehmen. Wer könnte das besser wissen als ein Mitglied des größten Handelsunternehmens der Welt.«
Für einen Moment herrschte eisiges Schweigen in der Schreibstube; sogar der Sekretär schien in seiner Arbeit betroffen innezuhalten.
Schließlich war es wieder der Hauptfaktor, der das Gespräch erneut in Gang zu bringen versuchte. »Aber was fängt man nun mit einer vergeblichen Investition an, zu der man den unglücklichen Umständen nach leider verpflichtet ist?«
Amman Sachs glaubte im ersten Moment, Peutinger würde immer noch von dem missglückten Goldtransport reden. Doch er irrte.
»Was sollen wir mit Euch anfangen, Sachs, nachdem Ihr unserem Haus einen so schweren Schaden zugefügt habt?«
Amman Sachs überlegte, ob er darauf hinweisen sollte, dass für die Fugger selbst der Untergang der Goldgaleone keinen materiellen Schaden bedeutete, da man nur für die Organisation der Fahrt und die Abwicklung der Fracht zuständig gewesen war. Und diese Leistungen hatte man dem spanischen Hof als Auftraggeber wie üblich vorab in Rechnung gestellt. Wo also war dieser angebliche Verlust?
Auch der Ruf des Kaufmannshauses war eher nicht gefährdet; nach Außen gab es diesen Auftrag ja gar nicht, da alles mit äußerster Geheimhaltung durchgeführt worden war. Und der um seine wertvolle Fracht geprellte Auftraggeber selbst hatte gleich seinen nächsten Kontrakt zur Freude des Handelsherrn unmittelbar eingefordert. Aber der Agent entschied sich, lieber betroffen zu schweigen.
»Zu meinem Bedauern ist es mir versagt, Euch für dieses unfassbare Missgeschick unehrenhaft aus dem Dienst zu entlassen.« Sachs glaubte tatsächlich, den Hauptfaktor mit den Zähnen knirschen zu hören. »Wobei mir scheint, dass Ihr Eure Ehre längst auf dem Feld des Lebens geopfert habt . . . erfolglos, möchte man hinzufügen. Was für eine Schande Ihr doch für die Euren seid. Und leider auch für uns!«
Amman Sachs merkte abermals auf. Mit den »Euren« konnte Kasper Peutinger eigentlich nur Sachs Ehefrau Johanna gemeint haben, denn andere lebende Angehörige der Familie Hohensax gab es seit einiger Zeit schon nicht mehr. Zwar war seine Unehrenhaftigkeit tatsächlich ein Problem bei sich zu Hause, überlegte der Fugger-Agent, aber was scherte der Hauptfaktor sich um seine Gattin?
Peutinger hatte inzwischen begonnen, erneut in den Unterlagen auf dem großen Tisch etwas zu suchen; endlich zog er einen ungefalteten Bogen Papier heraus, der in
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