Der Spion der Fugger Historischer Roman
sich selbst zu tun. Sämtliche Geldquellen sind versiegt, und jeder versucht, seinen Kronschatz so schnell wie möglich aufzufüllen, auf welche Weise auch immer. Bis dahin regiert Schmalhans – und jede Wache, jede Vorsicht kostet Geld.
Das ist wohl auch der Grund, warum ich als Fugger nach London geschickt werde und dieser Walsigham sich hier in Augsburg herumtreibt: Die Bedingungen für künftige Geschäfte mit dem Hause Tudor scheinen gut zu sein. Die Chance will unser Handelsherr nutzen, um neben den Verträgen mit den immer unsichereren Habsburgern ein zweites finanzielles Standbein aufzubauen. Es ist besser, bei einem großen Konflikt mit beiden Seiten zu paktieren, damit man auf keinen Fall zu den Verlierern gehört, egal wie der Streit am Ende ausgeht. Das ist eine Handelstaktik, wie sie dem alten Jakob oder auch Anton Fugger zur Ehre gereicht hätte.
Ich bin mir aber nicht sicher, ob der jetzige Regierer und seine Vertrauten das notwendige diplomatische Geschick besitzen, eine solche Geschäftsstrategie auch in aller gebotenen Stille umzusetzen. Dass dieser Walsingham an der Sache beteiligt ist, lässt nichts Gutes ahnen.«
Gemma schaute Sachs für einen Moment in die Augen, und dem Agent der Fugger war, als würde er Rosenblüten riechen können. Dann riss der angenehme Blickkontakt wieder ab, und die junge Frau in der Nonnentracht griff nach dem Bierkrug, aus dem bisher Sachs getrunken hatte. Sie nahm einen großen Schluck, wischte sich mit der freien Hand die Lippen ab und stellte das geleerte Gefäß wieder auf den Tisch.
»Was hältst du davon, wenn ich mich an diesen Walsigham dranhänge und ihn ein bisschen im Auge behalte? Kann ja nicht schaden, ein wenig mehr über ihn und sein Treiben zu erfahren.« Gemma hatte sehr überlegt gesprochen. Und der Schweizer konnte nicht umhin, ihrem Vorschlag zuzustimmen. Der Engländer schien eine Schlüsselfigur zu sein bei dem, was vor sich ging. Ihm mehr von seinen Geheimnissen zu entlocken, konnte nur von Vorteil sein. Trotzdem hatte Sachs kein gutes Gefühl bei der Sache.
»Nimm das mit dem ›Treiben‹ aber nicht zur wörtlich«, konnte er sich eine schlüpfrige Andeutung nicht verkneifen.
Gemma machte ein gespielt erstauntes Gesicht.
»Oh, ist da jemand eifersüchtig? Du weißt doch, Amman, du bist der einzige richtige Mann in meinem wilden Leben.« Gemma lächelte; dann wurde sie wieder ernst. »Wie halten wir Kontakt, falls Walsingham nicht nach London reist, sondern woanders hin?«
Das war eine gute Frage. Über die Faktoreien der Fugger Briefe auszutauschen war der zuverlässigste Weg, dafür zu sorgen, dass Nachrichten den anderen erreichten, aber sie würden auf diese Weise viele Mitleser haben, was sicherlich Probleme machen würde. Sachs erinnerte sich an den Trick des Engländers mit der unsichtbaren Tinte aus Zitronensaft und erzählte Gemma davon.
»Sieh also immer zu, dass du Zitronen auftreiben kannst«, endete er. »Schreib mit normaler Tinte irgendetwas Belangloses. Die eigentliche Nachricht notierst du dann auf die freien Stellen auf dem Papier oder dem Pergament. Ich werde es genauso machen, wenn ich dir etwas mitzuteilen habe. Dann senden wir unsere Botschaften an alle Faktoreien, die der jeweils andere wahrscheinlich erreichen kann.«
Gemma gefiel die Idee, Geheimnisse in ganz normaler Korrespondenz zu verbergen. »Wir sollten aber alle Schreiben stets mit einem Datum versehen, damit wir sie nicht durcheinander bringen.«
Sowohl Gemma als auch Amman Sachs versetzte das Planen ihrer nächsten Vorhaben in angenehme Aufregung. Doch immer mehr leerte sich die Gaststube des »Bärenkellers«, und allmählich wurde es auch für sie Zeit, sich aufzumachen. Auch der Wirt wollte schließlich irgendwann zu Bett. Also warf Sachs ein paar kleine Geldstücke auf den Tisch und verließ in Begleitung der Nonne das Gasthaus. Draußen dämmerte bereits der Morgen.
»Ich werde hier irgendwo Wachposten beziehen, damit der hohe Herr im Dienst Ihrer Majestät mir nicht entschlüpft«, verabschiedete Gemma sich mit seltsamer Befangenheit vom Agenten der Fugger. Auch Sachs druckste herum, und endlich umarmten sie sich und wünschten sich Glück und ein frohes Wiedersehen, wohin die Wege sie auch führen würden.
Da die Sonne bereits aufging, als Amman Sachs das nördliche Stadttor von Augsburg erreichte, ließ man ihn ohne großes Aufheben hinein. Auch die Fuggerei, wo der Sachs mit seiner Frau Johanna wohnte, war bereits mit dem ersten
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