Der Spion der Fugger Historischer Roman
kräftige Scheite nach und schwenkte dann den an einer Kette hängenden Kessel über die prasselnden Flammen, um Wasser zu erhitzen.
Als das getan war, richtete Johanna sich zur vollen Größe auf. Sie war hoch gewachsen, fast so groß wie Amman Sachs selbst, und immer noch schlank. Keine Schwangerschaft hatte ihren Körper bisher gezeichnet.
Amman suchte den Blick ihrer Augen, die immer noch den alten Glanz besaßen, in den er als junger Schweizergardist so verliebt gewesen war. Auch ihre Haut war noch glatt und von dieser schönen Blässe wie eh und je. Am Morgen wie jetzt, wenn sie ihr Haar noch nicht gemacht hatte und es sich in langen, ungeordneten Wogen um ihre Schulter schmiegte, war sie stets am schönsten, wie er fand. Wären da nicht die kleinen Fältchen links und rechts der Mundwinkel, die von ihrem steten Unglück kündeten, als dessen Ursache sie ihren Ehemann höchstselbst ausgemacht hatte.
Ja, diese Fuggereiwohnung war ganz sicher nicht dasselbe wie die Burg der Hohensax in der Schweiz oder die kleine Villa am Rande von Rom, wo sie ihre glücklichen Jahre verbracht hatten und die sie schließlich bei Nacht und Nebel und in Schimpf und Schande verlassen mussten. Arme Johanna, dachte Amman Sachs, dass wir so schnell aus Rom fliehen mussten, dass wir nicht einmal unser Glück hatten mitnehmen können.
»Bleibst du lange?« Beinahe hätte Amman die Stimme seiner eigenen Frau nicht erkannt. Sie sprach mit einem Kloß im Hals; so klang es zumindest. Als wäre sie befangen durch seine Anwesenheit. Aber nicht in der Art befangen wie früher, als er um ihre Liebe geworben hatte, sondern so, als wäre ihr seine bloße Anwesenheit ein Gräuel, das ihr Unglück nur vergrößern konnte.
»Ich glaube nicht«, erwiderte Amman schließlich. »Kasper Peutinger möchte mich so schnell wie möglich wieder auf Reisen wissen. Ich soll nach England, lauten seine Befehle. Er wird wohl seine Gründe haben . . .«, konnte er sich einen Seitenhieb nicht verkneifen. Und tatsächlich schaute seine Frau nun schamhaft auf den Boden.
Nicht einmal das Streiten ist uns geblieben, überlegte der Fugger-Agent. Im Grunde war es ihm egal, was sich zwischen Peutinger und seiner Frau abspielen mochte. Er fand es daheim bedrückend; wieder unterwegs zu sein, diesmal nach London – darüber konnte er sich wirklich freuen. Es schmerzte ihn, seiner alte Liebe durch seine bloße Anwesenheit Pein zu bereiten. Und irgendwie gönnte er Johanna das kleine Glück, das ihr die Affäre mit dem Hauptfaktor vielleicht bedeutete. Immerhin war der Hauptfaktor die Nummer zwei des Fuggerimperiums. Seine Geliebte kam der Mätresse eines Vizekönigs gleich. Wenn Johanna dabei die echte Liebe wiedergefunden hatte, war das sicher mehr, als nach den gemeinsamen Erlebnissen zwischen ihnen beiden noch geblieben war.
»Möchtest du etwas essen? Oder zu trinken? Ich mache Kamillensud.« Johanna hatte den Blick nun wieder gehoben. Amman erkannte ihr Bemühen, nett zu sein. Ob aber aus einem Rest an Zuneigung oder eher aus Verlegenheit, mochte er nicht entscheiden.
»Du siehst müde aus, Amman, als hättest du nicht viel geschlafen.« Das war schon fast ein richtiges Gespräch, fand der Fugger-Agent.
»Habe ich auch nicht«, antwortete er deshalb schnell. Eine wirkliche Unterhaltung hatten sie schon ewig nicht mehr geführt. »Ein wenig heißer Sud wäre genau das Richtige.«
Amman schaute seiner Frau zu, wie sie einen irdenen Krug von einem Bord nahm und mit einer hölzernen Kelle heiß dampfende Flüssigkeit aus dem Kessel schöpfte. Amman genoss den Frieden und die Normalität dieses Anblicks. Es war auf jeden Fall besser als Streiten, auch wenn das wenigstens gezeigt hätte, dass einem der andere noch etwas bedeutete.
Johanna reichte ihm den Krug mit dem heißen Trank. Amman sog das intensive Aroma des Kräuteraufgusses ein. Es tat ihm wohl. Er setzte sich wie ein Hausherr auf die kleine Bank vor dem grob gezimmerten Küchentisch.
»Wie geht es dir, Johanna?« Amman wollte ihre Unterhaltung nicht wieder abbrechen lassen.
Johanna wiegte leicht den Kopf. »Ach, ganz gut. Alles geht seinen Gang. Auch wenn mir das Licht in unserem Haus in Rom immer noch sehr fehlt.«
Amman bemerkte, dass diesmal keinerlei Vorwurf mehr in der Erinnerung seiner Frau mitschwang. Allenfalls Sehnsucht war in ihrem Hinweis auf ihr gemeinsames früheres Leben zu vernehmen. Vielleicht war das der Lohn, dass er nicht tiefer verletzt war von ihrer Verbindung mit Peutinger. Und
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