Der Spion der Fugger Historischer Roman
ihm schon wieder sein Seelenleben und seine Sorge verraten. »Ich will mein neu erworbenes Wissen über Eure Mission ja nicht gegen Euch verwenden, ganz im Gegenteil: Ich möchte mit Euch ins Geschäft kommen und ebenfalls einen Handel mit Euch abschließen, wie Ihr ihn mit dem Fugger und dem König von Spanien habt. Ihr und ich, wir sind ja nur kleine Rädchen im großen Getriebe der Weltpolitik und müssen aufpassen, dass wir nicht unter die Räder kommen.«
Dem Fugger-Agenten war nicht geheuer, was er da hörte. Schon das Arrangement mit König Philipp war er nur notgedrungen eingegangen. Jetzt auch noch mit einem englischen Gesandten, der dem spanischen König feindlich gesinnt war, einen Handel einzugehen, erschien Sachs als ein viel zu gewagtes Unternehmen – auch wenn er ahnte, dass es besser wäre, sich mit einem solch verschlagenen Mann wie Walsingham gutzustellen.
»Was könnte ich kleiner Handelsagent denn einem so gerissenen Emissär wie Euch bieten, Herr?«
Walsingham nickte. »Ihr wollt mir schmeicheln, mich durch Untertänigkeit eitel machen, um mich überheblich und damit unvorsichtig werden zu lassen. Eine gute Taktik – aber leicht durchschaubar für jemanden, der diese Strategie oft genug selbst verfolgt hat, vor allem gegenüber seinen eigenen Herren. Aber ich beantworte Eure Frage, wenn Ihr auch die Gründe meines Angebots längst kennt: Natürlich möchten meine Königin und ich genau wissen, auf was die Fugger und die Krone Kastiliens sich bei den nun begonnenen Verhandlungen einigen. Es geht um Informationen, Nachrichten, Wissen. Und natürlich auch darum, was man damit anfangen kann in einer sich immer schneller drehenden Welt.«
»Ihr wollt, dass ich gleich zwei Dienstherren an Euch verrate? Das kann nicht Euer Ernst sein!« Amman Sachs war ehrlich entrüstet.
»Immer mit der Ruhe.« Walsingham blieb gelassen. »Ich biete Euch ja etwas im Gegenzug. Außerdem bleibt diese Abmachung ganz unter uns. Meine Dienstherrin erfährt nichts von unserem Gespräch, und auch Ihr solltet nirgends ein Wort darüber verlieren. Es ist unser ganz persönliches Arrangement, von dem niemand etwas wissen muss. Solange wir beide darüber schwiegen, droht uns keine Gefahr. Was sagt Ihr dazu?«
Amman Sachs überlegte nur kurz. »Was für eine Gegenleistung bietet Ihr mir für meinen Verrat?«
Wieder spielte ein feines Lächeln um die Lippen des Engländers. »Das Gleiche, wie Ihr mir liefert – Informationen, Nachrichten, Wissen. Fragt, und ich sagte Euch, was Ihr begehrt.«
Der Fugger-Agent blickte dem anderen fest in die Augen. »Einverstanden. Hier meine erste Frage: Stimmt es, dass Eure Herrin neue Rosenobel prägen lässt?«
Walsingham war sichtlich überrascht. »Wo habt Ihr das her?« Im gleichen Augenblick erkannte er, dass nun er selbst sich verraten hatte. »Ihr habt mich hereingelegt!« Er lachte lauthals auf. »Ihr seid noch besser, als ich dachte, Sachs. Meine Hochachtung! Aber ich stehe im Wort, sodass ich nun mein derzeit kostbarstes Wissen mit Euch teilen muss. Ja, momentan werden Rosenobel geschlagen. Einige tausend Pfund, von gewohnter Güte.«
Walsingham kramte etwas aus seinem Wams und warf es dem Fugger-Agenten zu. »Hier«, sagte er. »Eines der ersten Exemplare, ein Muster sozusagen.«
Amman Sachs fing ein kleines Stück glänzendes Metall auf. Es war eine Goldmünze. Erstaunt wog er sie in der Hand. Sie war ziemlich schwer für ihre Größe, was entweder auf einen Bleianteil oder tatsächlich reines Gold hinwies.
Der Fugger-Agent besah sich die eingeprägten Motive des Geldstücks genauer. Auf der Vorderseite der Münze erkannte er einen gewappneten Herrscher in einem Schiff. Das Schiff war durch eine Fahne mit einem Monogramm, das ein großes »E« zeigte, und durch eine fünfblättrige Rose an der Seitenwand des Schiffes markiert. Der Herrscher war also König Edward IV, der den Rosenobel vor knapp hundert Jahren – gegen Ende des fünfzehnten Jahrhunderts – das erste Mal ausgeben ließ. Die Rückseite der Münze zeigte im Feld eine strahlenförmige Rose, die für die so genannte
weiße Rose
stand, wie Sachs wusste, das Symbol des damals in England herrschenden Hauses York. Es gab auch noch die
rote Rose
des Hauses Lancaster, das in den »Rosenkriegen« von 1455 bis 1485, einem der blutigsten Bürgerkriege dieser Zeit, um den englischen Königsthron stritt.
Nicht nur deshalb war der Rosenobel ein sagenhaftes Geldstück. Er war die Münze schlechthin. Ein Mythos, eine
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