Der Spion der Fugger Historischer Roman
ihr diese Verletzung auch nicht mehr zeigen musste.
»Wie würde dir Lissabon gefallen?«, fragte er aus einer spontanen Laune heraus. »Es hat das gleiche Licht und die gleiche Wärme wie Rom, ist aber . . . überschaubarer.« Amman suchte ein besseres Wort. »Kleiner« war das Einzige, was ihm einfiel und das er auch aussprach. Aber er wusste, es war das falsche Wort. »Es riecht dort sehr schön«, versuchte er deshalb seine Beschreibung zu retten.
Johanna sah sich kurz in ihrer Küche um. »Klein ist es hier auch!« Die Spitze in ihrer Antwort war nicht zu überhören. »Aber der Duft eines schönen Blumengartens wäre ein wirklicher Gewinn. Dieses Augsburg stinkt. Zu viele Menschen innerhalb der Stadtmauern. Zu viel Unrat. Noch nicht einmal gutes Wasser gibt es mehr. Auch die Brunnen stinken.«
Amman Sachs blickte kurz auf den Krug in seiner Hand und stellte ihn dann wie beiläufig auf den Tisch.
»Ja, es sind keine guten Zeiten.« Er seufzte. Eine klare Antwort auf die Frage, was sie von Lissabon halte, war Johanna ihm schuldig geblieben. Also würden sie auch keine gemeinsamen Pläne mehr machen. Aber hatte er das ernsthaft erwartet? Amman wusste nicht, was er noch von seiner Ehe mit Johanna erwarten sollte und durfte. Sie waren verheiratet; mussten siebeide da nicht versuchen, das Beste aus dieser Verbindung zu machen? Aber wahrscheinlich war es dafür wirklich zu spät. Und er sollte zufrieden sein, dass dem Krieg der letzten Jahre ein Waffenstillstand gefolgt war, der zwar kein neues Glück verhieß, aber zumindest auch keine neue Sorgen.
»Willst du dich ein wenig schlafen legen, Amman? Du kannst gerne mein Bett benutzen. Es sind saubere Decken drauf. In deinem Zimmer habe ich mir eine Nähstube eingerichtet. Deine Kammer ist näher bei der Küche und beim Herd, deshalb ist es im Winter dort wärmer.«
Also hatte er nicht einmal mehr ein eigenes Zimmer im eigenen Haus. Amman hätte lachen können über diese Ironie. Stattdessen stand er auf, nickte kurz und suchte Johannas Bettstatt auf.
Mühsam quälte er sich dort aus seinen schweren Stiefeln; dann legte er sich in das ungemachte, noch warme Bett. Es roch nach wilden Rosen – nach Johanna. Augenblicklich fiel der Fugger-Agent erschöpft in einen tiefen Schlaf, der ihn in seinen Träumen in längst vergangene glückliche Abenteuer führte.
Als er nach langen Stunden wieder erwachte, war der Geruch von Johanna immer noch da. Und für einen glückseligen Augenblick wähnte er sich im alten gemeinsamen Bett. Dann aber kehrte die Erinnerung wieder, wo er sich wirklich befand. Und augenblicklich spürte er die schwere Last, die sich zwischen dem vergangenen Glück und dem Schmerz der Gegenwart angesammelt hatte.
Sachs lauschte einem Moment ins Haus hinein, doch es war kein Geräusch zu hören. Wahrscheinlich hatte Johanna die Wohnung verlassen, um zum Markt zu gehen oder auch nur Wasser zu holen. Amman stand auf, zwängte sich in die von der langen Reise ausgelatschten Stiefel und hüpfte zweimal auf und ab, um wieder richtigen Halt in ihnen zu finden.
Immer noch war kein Laut aus den anderen Räumen zu vernehmen. So trat Amman Sachs an die Kleidertruhe seiner Frau, öffnete sie und schaute neugierig hinein. Erstaunlich gute Wäsche entdeckte er; alles sah neu und gepflegt aus und duftete intensiv nach den verstreut ausgelegten Rosenblättern.
Mit geübten Fingern tastete Amman die Stofflagen ab, ob sich dazwischen etwas Ungewöhnliches versteckte. Und er wurde alsbald fündig: Er brachte eine kleine Schatulle zum Vorschein, aus einem dunklen Holz gearbeitet mit helleren Intarsien, sodass es aussah wie ein kleines Schmuckkästchen. Sachs öffnete die Schachtel und entdeckte im Innern eine wunderschöne Perlenschnur, die mit einem goldenen Verschluss versehen war. Er hatte dieses Schmuckstück noch nie gesehen, ahnte jedoch, von wem Johanna es hatte.
Amman verschloss die Schatulle wieder, legte sie an ihren Platz und setzte die Durchsuchung der Kleidertruhe noch kurze Zeit fort. Dann verschloss er sie leise und drehte sich zur Tür.
Da stand Johanna, die ihn wohl schon eine ganze Weile beobachtet hatte. Sie hielt seinem Blick gelassen stand, drehte sich dann um und ging ihm voraus in die Küche.
Amman folgte ihr und tat ebenfalls so, als wäre nichts geschehen. Und im Grunde stimmte das ja auch, überlegte er. Er hatte durch den Fund der kleinen Perlenschnur nichts erfahren, was er nicht ohnehin schon gewusst hätte.
»Entschuldige, dass ich
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