Der Spion der Fugger Historischer Roman
bilden. Allein die Fensterrosette über dem Portal, durch das Gemma und er die Templerkirche betreten hatten, wich von dieser seltsamen Symmetrie ab: Die Rosette hatte acht Fächer, die mit geradezu orientalischer Ornamentik geschmückt waren.
Ein Knuff mit dem Ellenbogen, den Gemma ihm von der Seite versetzte, riss Sachs aus seinen Betrachtungen. Erst jetzt bemerkte er, dass sich in der Kirche völlige Stille ausgebreitet hatte. Nicht einmal ein Hüsteln war trotz der zahlreichen Anwesenden zu vernehmen.
Vom Portal her kam nun ein Mann auf sie zu, der wie die anderen eine rote Robe trug; bei ihm jedoch war sie mit schneeweißen Säumen aus Seide besetzt. Auf dem Kopf trug der Ankömmling eine weite, schwarze Mütze.
Bevor der prächtig gekleidete Mann Gemma und Sachs erreicht hatte, nahm der Fugger-Agent über sich in den Augenwinkeln eine Bewegung wahr. Abermals blickte er in den Turm oberhalb des Allerheiligsten und sah, dass einige der Nischen, die er vorhin dort oben entdeckt hatte, nicht nur zur Zierde dienten, sondern Fenster zu einem weiteren Umgang bildeten, der sich in den Turmwand verbergen musste. Und an einer der Fensternischen sah er jetzt Francis Walsingham stehen und ihn beobachten. Walsingham nickte kurz, als sein Blick sich mit dem von Amman Sachs traf. Doch sein Gesicht zeigte dabei eine verschlossene, undurchdringliche Miene.
Wieder stieß Gemma den neben ihr stehenden Schweizer leicht in die Seite, um seine Aufmerksamkeit auf den Ankömmling zu lenken. Der war mittlerweile keine zwei Schritte vor ihnen stehen geblieben und blickte missbilligend auf Amman Sachs, der ihn zu missachten schien.
Jetzt, da auch Sachs ihn anschaute, richtete der Unbekannte sich noch ein wenig gerader auf. Mit künstlich erhobener Stimme fragte er: »Ist Er jener, der Freiherr Amman von Hohensax genannt wird, Eidgenosse von Geburt?«
Amman Sachs war im ersten Moment irritiert von der überförmlichen Ansprache. Dann antwortete er: »Ja, das ist mein Name. Und wer seid Ihr?«
Der Unbekannte blickte Sachs für einen Moment schweigend an. Schließlich nickte er und sagte wie zuvor mit feierlicher Wichtigkeit: »Ich bin Thomas Bromley, Großmeister des Tempels zu London und Vorsteher des geheimen Gerichts, vor dem Er sich wegen Hochverrats zu verantworten hat.«
Sachs spürte, wie sich ihm die Nackenhaare aufstellten. Das also hatten sie mit Gemma und ihm vor! Hier im Verborgenen sollte ihnen ein kurzer Prozess gemacht werden, ohne großes Aufsehen. Und das Urteil würde wahrscheinlich sofort vollstreckt werden. Den Fugger-Agenten verließ der Mut, denn in jedem Land der Welt wurde Hochverrat mit dem Tod bestraft.
»Bekennt Er sich schuldig? Auch für das Weib, das in seiner Begleitung ist und ihm zur Komplizin diente?«
Amman Sachs blickte in die Runde der Männer, die in den Nischen entlang der Außenmauer der Templerkirche saßen. Ihre Gesichter waren verschlossen; nur zwei von ihnen wirkten erheitert, als würden sie sich über irgendeinen Scherz amüsieren.
Der Fugger-Agent richtete den Blick wieder auf Thomas Bromley. »Wenn Ihr die Güte hättet, mir genauer zu erklären, was mir vorgeworfen wird, werde ich mich angemessen dazu bekennen. Ich bin es gewohnt, für meine Taten und meine möglicherweise begangenen Vergehen einzustehen. Also erklärt Euch, wenn das hier ein ehrliches, nicht nur ein heimliches Gericht sein soll.«
Sachs spürte, dass er ein gefährliches Spiel spielte. Aber da er ohnehin mit einem Todesurteil wegen Hochverrats rechnete, kam es darauf nicht mehr an. Doch er hatte offensichtlich richtig geraten – hier wussten die wenigsten Anwesenden, worum es eigentlich ging. Denn die in den Nischen verharrenden Anwälte, die eben noch mit versteinerten Mienen dagesessen hatten, zeigte nun einen Anflug von Neugierde; die beiden Erheiterten von eben ließen sogar Besorgnis erkennen, wie sich an ihren Mienen ablesen ließ.
»Wenn Er unbedingt sein Verbrechen in der Öffentlichkeit ausgesprochen hören will«, erklärte Bromley, »um sein Urteil zu empfangen: Er ist in den Tower of London eingedrungen, um den Kronschatz zu stehlen, wobei Er einen gefälschten Passierschein vorlegte, um die Wärter zu täuschen. Als Er bei seiner Tat gestellt wurde, tötete Er im Kampf einen Untertan Ihrer Majestät der Königin, einen weiteren verwundete Er so schwer, dass dieser für den Rest seines Lebens gezeichnet sein wird. Was sagt Er zu dem Vorwurf?«
Was Amman Sachs auf diese Anschuldigungen erwidern
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