Der Spion der Fugger Historischer Roman
Kreatur ich dort in den Tiefen des finsteren Kerkers begegnet sein muss. Ich bin nur froh, dass ich diesem Unheil ohne Schaden entkommen konnte!«
Amman Sachs hatte bei seiner Rede nicht aufgehört, Drake weiterhin genau zu beobachten. Und für einen Moment funkelte sogar Freundlichkeit in dessen Augen.
»Nun gut«, versuchte Thomas Bromley die Aufmerksamkeit der Anwesenden wieder auf sich zu lenken, »so spreche ich Kraft des mir verliehenen Amtes als Großmeister des Inner Temple folgendes Urteil: Der Angeklagte Freiherr Amman von Hohensax wird schuldig gesprochen, den Tower of London unerlaubt, und ohne im Besitz einer königlichen Legitimation zu sein, betreten zu haben.« Amman Sachs setzte für einen Moment das Herz aus, weil dieser Schuldspruch ihn nun doch wieder unerwartet traf.
»Der Angeklagte wird verurteilt«, fuhr Bromley in seiner gestelzten, nasalen Sprache fort, »das Land auf dem schnellsten und direktesten Weg zu verlassen und es nie wieder zu betreten. Sollte er diesem Urteil zuwider handeln, wird ihn der Bannstrahl Ihrer Majestät der Königin Elisabeth treffen, was er mit dem Tod durch die Hand des Henkers von London zu büßen hätte!«
Bromley blickte den Fugger-Agenten fragend an: »Hat Er den Urteilsspruch verstanden? Möchte Er noch etwas sagen?«
Verbannung! Das war sicherlich noch die beste Alternative, die er unter den gegebenen Umständen erhoffen konnte, überlegte der Fugger-Agent. Zumindest bedeutete es, dass er am Leben bleiben würde.
»Ich habe verstanden. Und ich akzeptiere das Urteil dieses Gerichts.«
Amman Sachs spürte, wie sich mit einem Ruck eine bisher unbemerkte Anspannung bei allen Anwesenden löste. Großmeister Bromley nickte zufrieden. »Damit ist die Sitzung des hochehrwürdigen Geheimgerichts geschlossen«, sagte er, ehe er mit einem kleinen Gefolge würdevoll die Kirche verließ.
»Ihr kommt mit mir, Hohensax!« Francis Drake, der Seemann, hatte seine Hand schwer auf die Schulter des Fugger-Agenten fallen lassen, so als wollte er ihn abführen. »Und Ihr, edles Fräulein ohne Namen, ebenfalls.«
»Wo bringt Ihr uns hin?«, fragte Gemma.
»Auf mein Schiff. Es liegt an der Anlegestelle jenseits der London Bridge. Ich muss morgen früh mit der ablaufenden Flut auslaufen, da kann ich Euch und Euren verbannten Herrn gleich mitnehmen.«
»Ihr besitzt ein eigenes Schiff? Seid Ihr Navigator? Kommandant?«
»Ja, und obendrein noch Kapitän«, erwiderte der Angesprochene. »Und ich habe sogar mehr als nur
ein
Schiff. Aber um Euch aufs Festland zu bringen, genügt meine
Falcon,
denke ich.«
Die anderen Männer in den roten Roben hatten sich mittlerweile von ihren Plätzen in den Nischen erhoben und zerstreuten sich nach und nach. Einige musterten Sachs und Gemma immer wieder mit misstrauischen oder neugierigen Blicken. Aber sie hielten einen unbewussten Abstand zu den Verurteilten, als hätten diese irgendeine ansteckende Krankheit.
Zu Amman Sachs’ Verwunderung fuhren sie nicht in einem bewachten Boot zurück zur Billingsgate, wo das Schiff Drakes ja liegen sollte, sondern verließen ohne besondere Begleitung die Templerkirche und gingen unbehelligt die Straßen Londons entlang – zu dritt, ohne eine bewaffnete Eskorte.
»Habt Ihr keine Angst, dass wir Euch überwältigen und flüchten könnten, Master Drake?«, fragte Sachs nach einer Weile, in der sie schweigend nebeneinander durch die weitgehend leeren Straßen der schlafenden Stadt gegangen waren.
»Angst? Eigentlich nicht«, antwortete der Seemann, der sich im Gehen die rote Robe auszog und über den Arm legte. Darunter trug er einen schwarzen Anzug, ein wenig nach der Art der Spanier, wie Amman Sachs registrierte. »Ihr seid so auffällig, Hohensax, dass Ihr in diesem Land keine zwei Tage unentdeckt bleiben würdet. Und überhaupt, was solltet Ihr in einem Land, das Eure Anwesenheit nicht wünscht, noch länger verweilen? Eure Mission ist wiederum gescheitert!«
Amman Sachs fragte sich, auf welche Mission Drake anspielte. Was wusste der Mann?
»Wer seid Ihr wirklich, Master Drake?«, fragte er.
Der Seemann blickte ihn im schwachen Schein einer fernen Laterne an, wobei Sachs den Ausdruck in den Augen des anderen nicht zu erkennen vermochte. »Ihr kennt mich wirklich nicht, oder?« Drake klang ehrlich erstaunt. Dann sagte er leichthin: »Ich bin nur ein Seemann, der sein Glück sucht und seiner Königin treu dient. Meine Königin ist meine Herrin. Wen habt Ihr, Hohensax, dem Ihr Euch verpflichten und
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