Der Spion der Fugger Historischer Roman
wollte, sprach er wohlweislich nicht aus. Bromley hatte kein Wort über den Alchemisten gesagt, den der Fugger-Agent bei seiner merkwürdigen Arbeit beobachtet hatte. Kein Wort war bisher auch über den Herrn gefallen, in dessen Auftrag Sachs reiste – und der dem Engländer Walsingham ja sehr gut bekannt war. Auch standen die Anschuldigungen in keinem Verhältnis zu ihrer durchaus angenehmen Unterbringung und Verköstigung. In Sachs keimte der Verdacht auf, dass hier ein mindestens doppeltes Spiel getrieben wurde. Er hatte aber keine Ahnung, von wem und vor allem weswegen.
Ganz kurz blickte Sachs zu dem verborgenen Umgang hinauf, wo er Francis Walsingham gesehen hatte. Der aber hatte sich jetzt offenbar ins Zwielicht der Balustrade zurückgezogen. Amman Sachs jedoch war sicher, dass Walsingham noch dort oben war und das Schauspiel hier unten beobachtete.
Der Fugger-Agent blickte wieder in die Runde der Anwälte. »Ihr hohen Herrn behauptet also allen Ernstes, dass ein einfacher Mann wie ich in der Lage ist, die sicherste Festung der Welt zu erobern, um den Schatz eurer Königin zu rauben? Wenn es tatsächlich so gewesen sein sollte – glaubt ihr nicht, dass diese Information eure Königin zutiefst erschüttert? Wenn es nicht sogar das Vertrauen in ihre wichtigsten Würdenträger zerstört, die für die Sicherheit in diesem Königreich verantwortlich sind?«
Amman Sachs glaubte für einen Moment, von oben aus dem Umgang ein unterdrücktes Lachen zu hören. Doch das Geräusch wurde sofort vom aufbrandenden Gemurmel der anwesenden Anwälte übertönt.
»Zur Ruhe!«, versuchte Großmeister Bromley seine Brüder zur Ordnung zu rufen, was ihm auch gelang: Auf sein Kommando breitete sich wieder völlige Stille im Kirchenraum aus.
»Er will die ehrwürdige Tempelgemeinschaft verhöhnen?« Bromley kochte offensichtlich vor Wut. »Wie es scheint, ist Ihm der Ernst seiner Lage immer noch nicht bewusst. Der Tower, in den Er einzubrechen begehrte und in dem Er nun gefangen gehalten wird, ist auch eine Richtstätte. Und es haben dort schon Größere als Er den Kopf verloren. Auf dem Stone Gateway der London Bridge ist sicher noch ein Spieß für Ihn frei!«
Gemma, die bisher still der Verhandlung gelauscht hatte, rührte sich neben Amman Sachs. Leise flüsterte sie ihm zu: »Du hast es geschafft, unseren Richter wütend zu machen. Glückwunsch, gute Strategie! Jetzt muss ich wohl versuchen, den Kerkermeister zu verführen, um hier rauszukommen. Und was wirst du tun?«
Sachs blickte überrascht auf Gemma; dann aber forderte Großmeister Bromley wieder seine ganze Aufmerksamkeit.
»Nun? Schuldig? Oder was höre ich?«
Amman Sachs schluckte. Dann beschloss er, den einmal eingeschlagenen Weg weiterzugehen, koste es, was es wolle.
»Ihr müsst zugeben, Master Bromley, das Euer trefflich formulierter Vorwurf völlig haltlos ist. In den Tower von London kann niemand hinein, der nicht die Erlaubnis dazu hat. Ich bin mir sicher, dass jede der treuen Wachen an den Toren des Towers einen heiligen Eid darauf schwören wird, dass ich einen echten Passierschein hatte, ausgestellt von keinem Geringeren als Sir Thomas Gresham, der Euch gut bekannt sein dürfte und der mich höchstselbst zum Besuch der königlichen Menagerie berechtigt hat. Ich bin ein Tierfreund, müsst Ihr wissen, und habe meine Freude vor allem an den wilden Löwen. Sir Gresham kam meinen Bitten gerne nach, als ich ihn um das Patronat bat, mir den Zugang zu den edlen Tieren der Königin zu ermöglichen.«
Da seine Worte von den Anwesenden mit Staunen aufgenommen wurden, ohne dass man ihn unterbrach, fuhr Sachs fort: »Doch es war leider schon dunkel, als ich endlich den Weg zum Tower fand. Im Labyrinth seines Innern muss ich mich dann verirrt haben. Es war nie meine Absicht, in den White Tower zu geraten und dort in den Kerkern zu schauen, was ich besser nicht geschaut hätte – was ich aber ohnehin nicht verstand, wie ich hinzufügen muss, weil ich mit dem, was der Mann ohne Ohren an dem schrecklichen Ort tat, nichts anfangen konnte.«
Amman Sachs hoffte, dass er mit dieser Lüge vielleicht sein eigenes und auch Gemmas Leben würde retten können. Vorausgesetzt, er lag mit seiner Vermutung richtig, dass die Engländer um jeden Preis das Geheimnis um den Adepten namens Talbot verborgen halten wollten – zur Not auch vor den eigenen Leuten. Allerdings hatte er jetzt wohl Thomas Greshams Schicksal besiegelt, denn diejenigen, die wussten, was im Tower wirklich
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