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Der Spion und der Analytiker

Der Spion und der Analytiker

Titel: Der Spion und der Analytiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaty Pisani
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auch nicht, was mit mir los ist, seit zwei Nächten quält mich der Gedanke, daß mich jemand in meinem Zimmer erwartet. Es ist absurd und kindisch«, ihre Stimme klang gebrochen, »aber es ist stärker als ich.«
    Sie kehrte ihm den Rücken zu, ließ sich in einen der Sessel vor den Fenstern fallen und starrte in die Nacht hinaus.
    »Sie sollten sich von den Ärzten Ihres Mannes irgendein Beruhigungsmittel verschreiben lassen. Es wäre dumm, in solchen Augenblicken nichts zu nehmen. Soll ich einen Kamillentee für Sie bestellen?«
    Sie rang die Hände, aber ihr Gesicht war wieder zur Maske erstarrt.
    »Danke, ich habe Valium bei mir. Entschuldigen Sie, daß ich mich hier so aufgeführt habe …«
    Er trat auf sie zu.
    »Entschuldigen Sie sich doch nicht dauernd. Ich bleibe ein paar Tage hier. Bitte, bauen Sie auf mich, jederzeit. Jetzt sollten Sie sich schlafen legen. Sie haben morgen einen schweren Tag vor sich, und die nächsten Tage werden auch nicht leichter. Sie müssen jetzt sehr auf sich aufpassen.«
    Veronica ergriff seine Hand und erhob sich aus dem Sessel. Sie stand ganz nahe vor ihm, Ogden roch ihr Parfüm.
    »Bitte«, murmelte sie, ohne ihn anzusehen, »bitte gehen Sie nicht …«
    Er zog sie an sich und küßte sie. Sie blieben lange so stehen, bis Veronica sich schließlich von ihm löste und ihn ansah, als wollte sie ihn gleichzeitig verabschieden und dabehalten.
    »Danke«, murmelte sie. »Jetzt möchte ich schlafen.«
    Sie legte sich aufs Bett und schlief sofort ein.
    Er blieb noch lange da, erst im Morgengrauen ging er leise aus Veronicas Zimmer und gleichzeitig aus ihrem Leben. Für immer. Zumindest hatte er das vor neun Jahren geglaubt.
     
     
    Ogden erhob sich aus dem Bett und machte die Kühlbar auf. Er öffnete eine Flasche Bourbon und trank einen großen Schluck. Das Telefon klingelte. Franz war dran.
    »Guthrie hat gleich nachdem er zu Hause war, ein Band abgehört.«
    »Und wir, haben wir es auch abgehört?«
    »Nein, er hat den Kopfhörer aufgesetzt. Wir haben nur den ersten Teil der Operation mitgehört: Kodenummern. Danach hat er uns Chopin in die Ohren gedonnert, den mußten wir ganz über uns ergehen lassen. Tut mir leid …«
    »Sind das nicht die Bänder, die ihr kontrolliert habt, solange Guthrie auf dem Kongreß war?«
    »Doch.«
    »Was zum Teufel hast du denn angestellt, Franz?«
    »Diese Bänder enthalten Aufzeichnungen von einigen Sitzungen«, sagte der Agent wie zur Entschuldigung, »einschließlich derer mit der Lasko. Nichts Besonderes, wir haben sie schon ausgewertet: ihre Aufenthalte in jenem Hotel von Baden und ähnlicher Blödsinn …«
    Franz hüstelte, um Zeit zu gewinnen.
    »Wir haben auch das verdammte Kurhotel kontrolliert, das Gutenbrunn. Du bist bereits informiert worden: keine Spur von der Frau. Dieser verschrumpelte Alte, der Direktor, hat gesagt, daß die Dame ihn schon seit über einem Monat nicht mehr mit ihrem Besuch beehre … Alles Dinge, die du weißt.«
    »Ich schon, aber Guthrie nicht. Laß ihn morgen noch intensiver beschatten: der Doktor ist sehr unternehmungslustig, vielleicht will er nach Baden. Verlier ihn nicht aus den Augen.«
    »Keine Angst, wir bleiben ihm auf den Fersen.«
    »Neuigkeiten aus Zürich?«
    »Noch keine.«
    »Wenn Guthrie nach Baden fährt, informiere mich. Andernfalls findest du mich auf dem Kongreß. Auf Wiedersehen.«
     
     
    Am nächsten Tag war es in Wien grau und regnerisch. Ogden wurde um acht Uhr von Franz geweckt, der ihm mitteilte, daß Guthrie nach Baden aufgebrochen sei. Ogden stand fluchend auf und brauchte eine halbe Stunde, um sich fertig zu machen. Der Audi war auf Reserve, er verlor fünf Minuten an der Tankstelle vor dem Hotel, aber um neun war er auf der Autobahn. Er fuhr schnell, die Scheibenwischer wischten dicke Regenschlieren beiseite.
    Er wurde von einem Mercedes 500 überholt, der Wassermassen vor ihm hochschleuderte und gleich wieder im Regendunst verschwand. Nachdem Ogden dreizehn Kilometer zurückgelegt hatte, sah er zwei Autos am Straßenrand, einen roten Peugeot und einen schwarzen Sunbeam. Eine kniende Frau stützte den Kopf eines liegenden Mannes. Er ging vom Gas. Die Frau winkte ihm verzweifelt zu und schrie etwas. Ihre Angst verwandelte sich in Staunen, dann in Wut, als sie begriff, daß der Audi nicht hielt.
    Eine plumpe Inszenierung. Ogden legte den dritten Gang ein, und das Auto fuhr wieder schneller. Die Landschaft war nebelverhangen; er bedauerte, das Schwechattal und den Wald nicht an einem

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