Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Spion und der Analytiker

Der Spion und der Analytiker

Titel: Der Spion und der Analytiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaty Pisani
Vom Netzwerk:
glaubhafte Story bereithalten für den Fall, daß er die Wahrheit, irgendeine Wahrheit von ihr verlangte.
    Der Kellner trat auf ihren Tisch zu und murmelte Ogden etwas ins Ohr, der sich darauf erhob.
    »Entschuldige, ich bin gleich zurück.«
    Im Vorübergehen streichelte er ihre Wange. Sie sah ihm nach, wie er den Raum durchquerte. Ob er sie an dieselben Leute verraten würde, die auch Lasko getötet hatten?
    Sie beschloß zu gehen, bevor er zurückkam. Vor Panik wie gelähmt, blieb sie ein paar Augenblicke bewegungslos sitzen, dann stand sie mühsam auf.
    Der Kellner rückte zuvorkommend ihren Stuhl beiseite. Sie blickte sich um: das Krokodilsweib lachte und wischte ihren mit Creme verschmierten Mund ab. Heftige Übelkeit stieg in Veronica auf, sie merkte, daß sie ohnmächtig wurde. Das letzte, was sie noch sah, waren das Gesicht des Kellners und das schwarze Loch seines aufgerissenen Mundes.
     
    Als Ogden wieder hereinkam, erkannte er sofort, daß etwas geschehen war, allzu viele Leute hatten sich um seinen Tisch versammelt.
    Er stellte sich vor, daß Veronica, von einer lautlosen Kugel in den Mund getroffen, tot am Boden lag, und bahnte sich mit den Ellbogen einen Weg durch die Umstehenden.
    »Sie ist ohne einen Ton einfach umgekippt«, hörte er eine Frau sagen. Ein Arzt gab sich gerade zu erkennen und ging auf die Gruppe zu.
    »Machen Sie doch Platz«, sagte er wütend. »Wollen Sie vielleicht, daß sie erstickt?«
    Die Menge der Österreicher teilte sich wie die Wasser des Roten Meers und gab dem Arzt und Ogden den Durchgang frei. Veronica lag, den Kopf auf den Arm des ganz verstörten Kellners gestützt, am Boden.
    Aber an einem Wimpernzucken erkannten alle schnell, daß Veronica nur ohnmächtig war. Ogden dankte einem Gott, dem er sein Leben lang keine Beachtung geschenkt hatte, und streichelte über Veronicas schweißnasse kalte Stirn.
    »Es handelt sich vielleicht um einen Blutandrang«, sagte der Arzt, während er Veronica aufhalf und sie sich setzte. »Es sei denn«, fuhr er mit einem Blick auf Ogden fort, »die Dame ist schwanger, dann …«
    Veronica machte die Augen auf. Sie fühlte sich wie nach einer Achterbahnfahrt. Sie lächelte dem alten Arzt mit dem weißen Spitzbärtchen zu und fragte sich, ob es wohl genügte, Wiener und Mediziner zu sein, um wie Freud auszusehen.
    »Die Dame ist nicht schwanger«, sagte sie und mußte fast lachen.
    Der Arzt nahm das Blutdruckmeßgerät von ihrem Arm und hielt ihr ein Röhrchen entgegen, das ihr wohlbekannt war. »Dann brauchen Sie diese. Nehmen Sie eine sofort und noch eine, wenn Sie wieder einen Schwächeanfall bekommen. Ihr Blutdruck ist abgesackt. Aber suchen Sie Ihren Arzt auf.« Er drückte ihre Hand und kehrte an seinen Tisch zurück, die übrigen Gäste des Sacher folgten seinem Beispiel. Auch Veronica und Ogden saßen wieder an ihrem Tisch.
    »Wie fühlst du dich?«
    »Viel besser, danke. Das passiert mir manchmal, ich bin hypotonisch.« Sie lächelte und hoffte dabei, die Spuren der Angst, die sie zuvor zur Flucht angetrieben hatte, aus ihrem Gesicht getilgt zu haben.
    »Man kann dich ja keinen Augenblick allein lassen.« In seinen Worten lag ein Anflug von Zärtlichkeit, der sie erstaunte.
    »Das müßtest du doch eigentlich wissen«, erwiderte sie, wobei sie zu ihrer Verwunderung den gleichen Groll gegen ihn spürte wie vor neun Jahren, als er von Genf abgefahren war, ohne ihr weiterzuhelfen.
    »Gehen wir jetzt weg von hier«, sagte Ogden und rief den Kellner.
    Die frische Luft draußen tat ihr wohl. Sie fühlte sich bereit für einen neuen Fluchtversuch.
    »Versuch es nicht«, sagte er, als habe er ihre Gedanken gelesen. »Und sieh mich nicht so an, als wäre ich der Zauberer von Oz«, fuhr er fort, während er ihr die Tür seines Audi öffnete. »Der Kellner hat mir verraten, daß du gerade gehen wolltest, als du ohnmächtig wurdest.«
    Sie setzte ihre Sonnenbrille wieder auf und schwieg, bis sich das Auto mitten im Verkehr befand.
    »Ich fand es absurd, dich in meine Nöte mit hineinzuziehen. Ich habe kein Recht …«
    »Das hast du sehr wohl«, fiel ihr Ogden ins Wort und blickte in den Rückspiegel. »Das weißt du genau. Sonst hättest du dich ja auch nicht an mich gewandt.«
    Sie schwiegen. Das Auto glitt schnell durch den noch mäßigen Nachmittagsverkehr.
    »Wohin fahren wir?« fragte sie schließlich, da ihr dies die am wenigsten verfängliche Frage schien.
    »Du hast einen sicheren Ort verlangt. Dorthin bringe ich dich.«
    Sie fuhren

Weitere Kostenlose Bücher