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Der Spion und der Analytiker

Der Spion und der Analytiker

Titel: Der Spion und der Analytiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaty Pisani
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am Tiergarten vorbei, ließen den Zoo und den Botanischen Garten hinter sich und gelangten in ein ziemlich elegantes Viertel. Ogden parkte in einer schmalen Straße vor einem Haus in Mischstil mit einem Türmchen und einem ungepflegten Garten. Die Umfassungsmauer war mit Efeu bewachsen.
    Sie stiegen aus dem Auto.
    »Hier sind wir zu Hause«, verkündete er, als sie vor dem Tor standen. Er zog eine Art Kreditkarte hervor, die er in einen Spalt über der Sprechanlage einführte. Das Tor ging mit einem elektrischen Summen auf. Mit der gleichen Technik öffnete er auch die Haustür. Hier war der Spalt geschickt in dem schmalen Schlitz des Briefkastens verborgen. Ogden kümmerte sich nicht um das Schloß, das so sehr funkelte, als werde es täglich benutzt. Die Haustür ging mit dem gleichen Summton auf.
    Er ließ sie eintreten, schloß die Tür und machte Licht. Veronica konnte mit Mühe einen Schrei unterdrücken. Eine Vielzahl von Ogdens und Veronicas tauchte aus allen Ecken auf und wiederholte sich unendlich in den Spiegeln, die die Wände des Hauseingangs bedeckten.
    »Du liebe Zeit«, rief sie aus und näherte sich Ogden, der an einem Schalter hantierte, »sind wir zwei denn nicht genug?«
    Er drehte sich um und lächelte.
    »Es ist nichts Besonderes, das muß ich zugeben. Aber sicher.«
    Das Haus hingegen war geschmackvoll mit wertvollen Biedermeier-Möbeln eingerichtet. Vom Flur aus betrat man das Wohnzimmer, hinter dem, durch einen Bogen getrennt, das Eßzimmer lag; dann kamen die Küche und eine geräumige Veranda.
    Sie gingen in den ersten Stock hinauf. Von den drei Schlafzimmern hatte das eine ein französisches Bett, die beiden anderen Doppelbetten. Das erste gleich neben der Treppe war mit Schiffsmöbeln ausgestattet. Ein leichter Männerparfümgeruch schwebte darin, vielleicht Moustache, was Veronica an ihren ersten Freund erinnerte. Das Zimmer daneben schien von unauffindbaren Jugendlichen bewohnt, es hatte Poster an den Wänden, Tapeten mit Quadratmuster, karierte Bettüberwürfe. Das Bad neben dem Zimmer mit dem Ehebett war aus schwarzem Marmor mit einer riesigen Badewanne, die eine merkwürdige Zwischenform zwischen einem Bohnenkern und einem Bottich hatte, Messingschwäne dienten als Wasserhähne.
    Das Prunkstück dieses Hauses aber war das eheliche Schlafgemach. Hier fand sich Veronica vor dem Bett ihrer Mutter wieder: ein Zufluchtsort aus weißem Atlas mit gestepptem Kopfteil.
    Aus dem Spiegel des Toilettentisches blickte sie ein kindliches Gesicht mit großen unzufriedenen Augen an. Sie näherte sich, auf der Ablage rahmten eine Haarbürste und ein Schildpattkamm einen Flacon mit Shalimar ein.
    »Da ist doch unmöglich …« murmelte sie.
    »Was?« Ogden stand so nahe hinter ihr, daß er fast ihren Nacken berührte. Veronica fuhr herum, in ihren Augen lag Überraschung, aber auch Angst.
    »Dieses Zimmer … ist genau wie das meiner Mutter, sogar das Parfüm …«
    »Da haben wir etwas Gemeinsames.« Ogden ergriff den Flacon, nahm den Stöpsel heraus und hob ihn ans Gesicht. »Auch meine Mutter hat das benutzt. Zu süß«, schloß er dann und stellte ihn zurück.
    »Wem gehört dieses Haus?«
    Er hatte inzwischen die Läden geöffnet.
    »Freunden. Sie sind auf Reisen und haben mich gebeten, hin und wieder nach dem Rechten zu sehen.«
    »Die wären von solchen Eindringlingen vielleicht nicht begeistert.«
    »Keine Angst, ich bin hier wie zu Hause.«
    Er zog die Vorhänge auf, und die Sonne flutete ins Zimmer. Veronica trat ans Fenster und blickte auf den Garten. Von oben wirkte er noch ungepflegter; sie sah ein verrostetes Gartenhäuschen und eine rötliche Katze, die zwischen den Büschen hindurchstrich.
    »Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll, du warst sehr nett«, sagte sie und kam sich dabei lächerlich vor: wie konnte sie von Nettigkeit reden, da er ihr doch das Leben rettete?
    »Wovor fliehst du?« Er berührte sie an der Schulter, und bei dieser Geste fühlte sie sich nur noch verlorener.
    Sie erwiderte nichts, ergriff einen Vorhangzipfel, ließ ihn aber sofort wieder fallen; die Vorhänge ihrer Mutter waren aus Spitze, und dieser billige Stoff hier beleidigte sie.
    Ogden beobachtete sie und überlegte, daß sein Wunsch, ihr zu helfen, ihm wohl selber erhebliche Schwierigkeiten einbringen würde; er war dabei, ein konspiratives Haus des Dienstes zu mißbrauchen. Wie sollte Casparius so etwas billigen!
    »Ich muß jetzt gehen«, sagte er zu ihr, »aber zuvor erkläre ich dir noch, wie du

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