Der Spitzenkandidat - Roman
danach die Kür und mit Monika ins Lot kommen. Und abnehmen, unbedingt abnehmen. Er mochte sich selbst nicht mehr. So wie jetzt konnte es nicht weitergehen.
„Sie sehen nicht begeistert aus, Wagner. Der Stress der letzten Wochen hat Ihnen zugesetzt. Es ging mir auch nicht anders. Warum machen Sie nicht für heute Schluss und gehen nach Hause? Die Veranstaltung nachher kriege ich alleine hin, außerdem ist das Juniorteam dabei.“
Frau Stigler steckte ihren attraktiven Kopf durch die Tür. Ausnahmsweise lächelte sie. Bei dieser Frau sah man immer gerne hin. „Frau Klaßen ist jetzt hier.“
Wagner stand auf, Marion Klaßen betrat den Raum. Sofort ging es Wagner besser. Das blaue Strickkleid stand ihr vorzüglich, betonte ihre Rundungen. Ihr Lächeln wirkte nicht aufgesetzt. Sie war durch und durch authentisch, bestimmt aß sie auch gern. Zumindest würde sie ihrem Mann das Leben nicht mit abstrusen Ernährungsvorschriften zur Hölle machen. Er mochte sie. Sehr sogar. Wenn er nicht verheiratet wäre, wer weiß, vielleicht …
Sie begrüßte die Männer mit einem Lächeln, das in Wagners Augen unwiderstehlich war. Dann sagte sie an Wagner gerichtet: „Wir sollten uns bald mal treffen, unsere Verabredung von neulich nachholen.“
Als Wagner ging, war er gut gelaunt und der Zoff mit Monika vergessen.
Dann war Marion mit dem Vorsitzenden allein. Er kam, wie es seine Art war, sofort zur Sache: „Ich möchte mit Ihnen über die Zeit nach der Landtagswahl sprechen. So wie es aussieht, werden wir die Nase vorn haben. Vielleicht schaffen wir nicht die absolute Mehrheit, aber das wir gewinnen werden, ist klar.“
„Ganz bestimmt“, pflichtete Marion ihm bei.
„Schneider wird neuer Kultusminister. Er hat mir mitgeteilt, dass er Sie als Staatssekretärin haben möchte.“
Marion blickte ihn erwartungsvoll an. Jetzt kommt es. Er will mich nicht. Ich bin ihm zu modern, zu selbstbewusst und obendrein noch eine Frau.
„Ich will offen reden, Kollegin. Begeistert war ich nicht. Sie wissen, dass mein Verhältnis zu Stein nicht das beste war. Er ist mir in den Rücken gefallen. Er hat es immer verstanden, sich auf Kosten anderer grandios zu inszenieren. Dass ich zu den anderen gehörte, gefiel mir ganz und gar nicht. Und Sie waren seine engste Vertraute. Wir gehen schweren Zeiten entgegen, die Haushaltskrise wird noch manches Opfer fordern. Ich muss mich auf mein Kabinett verlassen können.“
„Ich werde loyal sein, Herr Bitter. Es gibt Themen, bei denen ich anderer Meinung bin als Sie. Aber das ändert nichts daran, dass ich meine Funktion realistisch einschätze. Parteidisziplin ist für mich kein Fremdwort, Kabinettsdisziplin schon gar nicht.“
Bitter war erleichtert. Das hatte er sich schwieriger vorgestellt. Eigentlich eine patente Person, ganz anders als diese schreckliche Quoten-Peters und ihre blaustrümpfigen Schwestern, die immer gleich schrill wurden.
„Mir ist bekannt, dass Sie als Fachfrau für Bildungsfragen einen exzellenten Ruf genießen. Und nun mal ganz unter uns: Schneider wird nächstes Jahr sechzig. Länger als eine Legislaturperiode wird er nicht bleiben. Vielleicht gibt es hier eine Perspektive für Sie. Bei der nächsten Wahl in fünf Jahren werden Sie noch lange keine vierzig sein.“
Marion nickte. Sie hatte ihre Fühler längst nach Berlin ausgestreckt. Wenn alles in ihrem Sinn lief, würde sie nächstes Jahr einen Ministerposten in der Bundeshauptstadt ergattern. Der neue Medienberater verlangte ein horrendes Honorar, aber er war sein Geld wert. Ihr Coach ebenso. Fürs Erste ein Staatssekretärsposten in Hannover war nicht zu verachten. Der Wechsel von der Leine an die Spree war vor ihr schon vielen gelungen und würde sich hoffentlich bald ergeben. Ihre Berater leisteten ganze Arbeit und Subkows Geld war gut investiert. Die erhoffte Rendite würde nicht lange auf sich warten lassen.
Sie redeten noch einige Minuten miteinander, auch über den Mord und ihre Erleichterung, dass er endlich aufgeklärt worden war und was noch wichtiger war, dass die Partei keinen Schaden genommen hatte.
Nach der Wahl würde es allerdings Ärger wegen Baumgart geben. Eine Kleingartenkolonie mit über hundert Pächtern dem Erdboden gleichzumachen, war der Stoff, an dem sich die Gemüter erhitzten. Erst gestern hatte die Partei erneut bekräftigt, dass ein Verkauf nicht geplant sei. Die Menschen reagierten auf Wahllügen zunehmend empfindlich. Die Zeiten hatten sich geändert. Aber vielleicht hatten sie
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