Der Splitter Im Auge Gottes
Seiner Majestät und Seiner Hoheit Weisheit verleihen.«
Alle Anwesenden erhoben sich. Als Rod aufsprang, kam ihm der Gedanke, ob dieser Hokuspokus überhaupt einen Sinn hatte. Es war leicht, zynisch darüber zu lächeln – schließlich war Merrill auch nur ein Mensch und Seine Kaiserliche Majestät genauso.
Auch sie konnten nur ein Hosenbein auf einmal anziehen. Andererseits waren sie es, die die Verantwortung für das Geschick der Menschheit trugen. Der Rat konnte ihnen mit Ratschlägen helfen, der Senat mit Debatten, die Abgeordneten konnten diskutieren und fordern. Doch wenn alle die widersprüchlichen Forderungen gestellt, alle Fakten und Ratschläge erwogen waren, musste irgend jemand im Namen der Menschheit entscheiden … Nein, dieses Eintrittszeremoniell war kein überflüssiger Pomp. Männer, die derartige Macht besaßen, sollen daran erinnert werden.
Seine Hoheit war ein großer, schlanker Mann mit buschigen Augenbrauen. Er trug Galauniform der Flotte mit Korona und Kometen auf der Brust, Auszeichnungen, die er sich in Jahren des Dienstes für das Imperium erworben hatte. An seinem Thron angelangt, drehte er sich zu dem Solido darüber um und verneigte sich. Der Zeremonienmeister leitete noch die rituelle Wiederholung des Treueids an die Krone, dann nahm Merrill Platz und nickte dem versammelten Rat zu.
Herzog Bonin, ein älterer Herr, der Vorsitzende des Rates, erhob sich von seinem Sitz in der Mitte des großen Konferenztisches. »Meine Herren. Der Rat ist auf Anordnung Seiner Hoheit zusammengetreten, um in Sache der fremden Raumkapsel vom Splitter zu einem Entschluss zu kommen. Diese Sitzung wird vielleicht lange dauern«, fügte er ohne jeden Sarkasmus hinzu.
»Sie alle haben den Bericht über unsere Untersuchung der fremden Sonde vor sich liegen. Die zwei maßgeblichen Fakten daraus kann man folgendermaßen zusammenfassen: Die Fremden besitzen weder den Alderson-Antrieb noch das Langston-Feld. Dagegen scheinen sie andere technologische Kenntnisse zu besitzen, die denen des Imperiums weit voraus sind – und ich nehme hier das Erste Imperium nicht aus.«
Erstaunte Ausrufe wurden laut. Viele Regierungsmitglieder und die meisten Bürger hegten eine fast ehrfürchtige Hochachtung vor den Errungenschaften des Ersten Imperiums. Bonin nickte vielsagend. »Wir müssen uns nun darüber klar werden, was zu tun ist. Seine Exzellenz, Sir Traffin Geary, Sektorminister für Äußeres.«
Sir Traffin war beinahe so groß wie der Vizekönig, aber damit endete alle Ähnlichkeit.
Während Seine Hoheit eine schlanke, durchtrainierte Gestalt besaß, war Sir Traffin am ehesten mit einem Fass zu vergleichen. »Hoheit, meine Herren. Wir haben bereits einen Kurier nach Sparta entsandt, ein zweiter wird noch diese Woche abreisen. Die Sonde wurde vor mehr als hundert Jahren gestartet, und sie flog mit Unterlichtgeschwindigkeit.
Wir brauchen also nichts zu überstürzen. Ich schlage vor, dass wir hier alle Vorkehrungen für eine Expedition zum Splitter treffen, im übrigen aber die Anweisungen Seiner Majestät abwarten.« Geary schob spöttisch die Unterlippe vor, als er den Blick durch den Ratssaal schweifen ließ. »Viele von Ihnen, die mein Temperament kennen, wird das erstaunen, aber ich halte es für ratsam, diese Angelegenheit gut zu überdenken. Das Schicksal der menschlichen Rasse könnte von unserer Entscheidung abhängen.«
Ein Gemurmel der Zustimmung erhob sich. Der Vorsitzende nickte dem Mann zu seiner Linken zu. »Lord Richard Mac Donald Armstrong, Kriegsminister des Sektors.«
So massig Sir Traffin war, so gut vertrat der Kriegsminister das andere Extrem. Man konnte ihn fast winzig nennen, und seine Gesichtszüge passten zu seinem Körper, fein und irgendwie weich. Nur in seinen Augen war nichts Weiches, und sein Blick glich dem des dreidimensionalen Holo-Porträts über dem Thron.
»Ich kann Sir Traffins Ansicht sehr gut begreifen«, begann Armstrong. »Ich reiße mich auch nicht um diese Verantwortung. Es ist sehr beruhigend für uns zu wissen, dass auf Sparta die klügsten Männer unserer Rasse Fehler und Versagen unsererseits verhindern würden.«
Er hat kaum eine Spur von neuschottischem Akzent, dachte Rod. Man merkt es wirklich kaum, doch der Mann stammt bekanntermaßen von hier. Ich frage mich, ob sie alle so normal reden können, wenn’s sein muss?
»Aber dafür haben wir vielleicht nicht mehr die Zeit«, sagte Armstrong ruhig. »Bedenken wir folgendes. Soweit aus unseren Aufzeichnungen zu
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