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Der Stachel des Skorpions

Der Stachel des Skorpions

Titel: Der Stachel des Skorpions Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Hardy
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Reise ließ seine Ärzte und Krankenschwestern den Kopf schütteln und ernst werden.
    Also musste eine Live-Schaltung genügen. Er hatte lange genug an der Rede gearbeitet. Was immer er heute Abend noch daran veränderte, es wäre nichts weiter als nervöses Herumfeilen gewesen. Nein, er würde seinen Whisky noch austrinken, dann zu Bett gehen und sich für den morgigen Tag und den letzten Triumph eines alten Paladins ausruhen.
    Victor hob das Glas. »Auf die Republik und den Traum Devlin Stones.«
    Er leerte das Whiskyglas und stellte es auf den Schreibtisch.
    Alle Lichter im Raum gingen aus.
    In der Stille, die plötzlich herrschte, erkannte Victor, dass auch alle elektrischen Geräte im Zimmer ausgefallen waren. Das leise, gar nicht mehr bewusst wahrgenommene Summen, das ihn Tag und Nacht begleitete, war verstummt.
    Die Tür zu seiner Wohnung öffnete sich mit einem Klicken. Auf das Geräusch folgte kein Licht. Auch der Flur war dunkel. Also war auch dort der Strom ausgefallen. Wer auch immer hereingekommen war, er musste den Notschlüssel benutzt haben. Doch bis jetzt hatte er noch keinen Alarm gehört.
    Jemand war im Vorzimmer und bewegte sich bewusst leise.
    Das war kein gutes Zeichen. Victor stieß den Stuhl vom Schreibtisch ab, um ungehindert aufstehen zu können. Er sah, wo dünne Lichtfäden von draußen durch die Vorhänge drangen und die Schatten im Zimmer noch vertieften. Er wusste, wo der Eindringling entlang musste, um ihn zu erreichen. Der Einbrecher würde ein Nachtsichtgerät benutzen, während Victor wusste, wie die Möbel des Zimmers standen.
    All seine in einem von Krieg und Politik bestimmten Leben geschärften Instinkte gellten lauter, als es der Alarm vermochte, der eigentlich schon längst durch den gesamten Gebäudekomplex hätte schrillen müssen. Sobald sich die Tür geöffnet hatte, war Victor klar gewesen, dass sie seinen Tod wollten.
    Daran, wer >sie< waren, hegte er kaum einen Zweifel. Er hatte alle seine alten Feinde überlebt oder Frieden mit ihnen geschlossen - außer natürlich seiner Schwester, aber falls sie gekommen wäre, um mit ihm abzurechnen, hätte sie es gewiss nicht im Dunkeln getan. Sie hätte sichergehen wollen, sein Gesicht zu sehen.
    Alle anderen, die noch aus seiner Jugend oder seinen besten Jahren ein Hühnchen mit ihm zu rupfen hatten, hatten das schon vor Jahren aufgegeben. Hier ging es um einen neuen Konflikt, und es gab nur eine Sache, die er in letzter Zeit getan hatte, die sich dazu eignete.
    Er lächelte dünn ins Dunkel. Falls er noch einen letzten Beweis gebraucht hätte, dass das Gedankengerüst, das er so sorgfältig aufgebaut hatte, auf einem soliden Fundament basierte, hatte er ihn jetzt. Jemand versuchte, ihn deswegen umzubringen.
    Dieser Versuch würde gelingen. Was das betraf, gab er sich keinen Illusionen hin. Er war ein alter Mann, älter als er je zu werden erwartet hatte, möglicherweise sogar älter, als er je verdient gehabt hatte zu erwarten, und der Fremde, der sich soeben leise durch das Vorzimmer bewegte, war ohne Zweifel ein Berufsmörder in den besten Jahren. Er würde Victor töten und seine Arbeit vernichten.
    Schweigend streckte er die Hand aus und nahm das leere Whiskyglas. Seine andere Hand fand die Karaffe. Er stand auf, das Glas in der linken Hand, die Karaffe in der rechten, und entfernte sich vom Schreibtisch. Er trat rückwärts an die Wand und ließ die Flasche sacken, bis der Hals zwischen seinen Fingern hing. Dann schlug er sie zurück gegen die Wand. Das Glas barst und ihm blieb der scharfkantige Flaschenhals. Der Knall der berstenden Karaffe war in der tödlichen Stille von nachgerade blasphe-mischer Lautstärke. Der Geruch von Alkohol hüllte ihn ein.
    Jetzt besaß er eine Waffe. Nicht ausreichend, um ihm das Leben zu retten oder gar seinen Angreifer mit ins Grab zu nehmen. Aber selbst in der Hand eines alten Mannes genug, um den anderen zu zeichnen und mit ihm den Tatort.
    Einer der von der Straße hereinfallenden Lichtfäden flackerte, als ihn eine schwarz gekleidete Gestalt durchquerte. Victor erkannte, dass der Plan vorsehen musste, seinen Tod wie einen Unfall oder ein medizinisches Problem aussehen zu lassen, einen Herzschlag, eine Lungenembolie, etwas, das seinen Ärzten die Gelegenheit gab, traurig den Kopf zu schütteln und festzustellen: »Nun ja, er war halt ein alter Mann.« Das erklärte, warum ihn der Mörder nicht längst erschossen hatte. Sie mussten wohl erwartet haben, er würde schlafen, sodass ihr Mann

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