Der Stachel des Skorpions
es jedoch für denkbar, dass SteinerDavion jemandem wie Ruiz gegenüber, die nicht Teil dieses Kreises war, weniger abweisend war. Außerdem hatte sie täglich Kontakt zu ihm und praktisch uneingeschränkten Zugang zu seiner Wohnung, so-dass sie durchaus auch ohne sein Wissen von seiner Tätigkeit gewusst haben kann oder zumindest besser darüber informiert war, als er ahnte.
Darüber hinaus habe ich beim ersten Gespräch von einer möglichen Verbindung zwischen Ruiz und jemandem in Genf erfahren. Sie unterhält eine Liebesbeziehung zu einem Mann namens Henrik Morten. Das gibt mir zu denken. Es wäre der Sache förderlich, wenn Sie herausfinden könnten, ob ein Mal-lory's-World-Morten in Genf oder generell auf Terra beschäftigt ist. Die Verbindung dieses Herrn mit Frau Ruiz ist möglicherweise wirklich rein romantischer Natur. Andererseits habe ich, falls Sie mir diese Feststellung verzeihen, nicht den Eindruck, als könnte sie einen jungen Mann von Henrik Mortens -vermuteter - gesellschaftlicher Stellung allein durch ihr Aussehen und ihre Persönlichkeit für sich gewinnen.
Jonah schloss die Datei und schenkte sich noch einen Kaffee ein. Burton Horn war ein ziemlicher Snob, stellte er bei sich fest, andererseits aber ein genauer Beobachter der menschlichen Natur. Falls er der Ansicht war, dass dieser unbekannte Henrik Morten eine genauere Betrachtung verdiente, hatte er vermutlich recht.
Senatorin Leesons Büro, Genf, Terra Präfektur X, Republik der Sphäre
4. Dezember 3134
Horns Verdacht hatte sich schnell bestätigt. Henrik Morten war tatsächlich von adliger Herkunft und schien ein viel versprechender junger Mann zu sein. Jonah fand seinen Namen in Verbindung mit Handelsgesprächen auf Skye, der Ausarbeitung von Gesetzesvorschlägen über Militärhilfe für Präfektur IX und die Organisation humanitärer Hilfe für Geflohene vor den Angriffen der Jadefalken. Natürlich spielte Morten bei all diesen Projekten nur eine Nebenrolle, aber er schien doch involviert genug, um namentlich erwähnt zu werden. Er war offensichtlich ein aufstrebender Diplomat.
Schwieriger war es gewesen, etwas über den Mann hinter den Schlagzeilen beziehungsweise - in Mortens Fall - den Mann hinter der kurzen Erwähnung im elften Absatz herauszufinden. Jonah wusste aus langjähriger Erfahrung, dass die Medien nur einen kleinen Teil eines Politikerlebens festhielten.
Glücklicherweise war der Zeitpunkt für das Sammeln politischer Informationen ideal, da sich die meisten hochrangigen Regierungsmitglieder in Erwartung der Wahl in Genf aufhielten. Darunter war auch Senatorin Key Leeson aus Präfektur II, die einige Jahre auf Kervil verbracht hatte.
»Paladin Levin!«, begrüßte sie ihn begeistert, als er ihr Büro betrat. »Was für ein ungewöhnliches Ereignis, dass wir uns beide zur gleichen Zeit auf einer Welt aufhalten.«
Jonah erwiderte ihr Lächeln. Die schlanke, dunkelhaarige Leeson hatte sich in den zehn Jahren seit ihrer letzten Begegnung kaum verändert. Obwohl sie mehr als doppelt so alt war, schien sie lebhafter und enthusiastischer als ihre zwanzigjährigen Praktikanten. »Schön, Sie zu sehen, Senatorin.«
»Nicht, dass ich mich nicht liebend gerne mit Ihnen darüber unterhalten würde, was sich zu Hause so getan hat, aber irgendetwas sagt mir: Wenn ein Paladin kurz vor einer Wahl um acht Uhr abends mein Büro betritt, kommt er nicht zu einem Plauderstündchen. Womit kann ich Ihnen dienen?«
»Es geht tatsächlich um die Wahl, Senatorin. Sie ist bereits vollauf im Gange: die Verhandlungen, die Geschäfte, alles. Sie wissen ja, wovon ich rede. Ich, andererseits...« Jonah breitete in einer hilflosen Geste die Arme aus. »Ich war noch nie sonderlich begabt, was diesen Aspekt meiner Tätigkeit betrifft. Können Sie fassen, dass ich ohne einen einzigen Mitarbeiter auf Terra eingetroffen bin?«
Leeson lachte und schüttelte den Kopf. »Bürokram hat Sie noch nie interessiert«, stellte sie fest. »Sie verfügen über keinen Stab? Ist Ihnen klar, was die anderen Paladine mit Ihnen machen werden?«
Jonah lachte traurig. »Ich weiß, ich weiß. Aber ich dachte, vielleicht können Sie mir aushelfen.«
»Liebend gerne, nur habe ich selbst keinen Mann zu viel. Wir nehmen vielleicht nicht an der Wahl teil, aber auch der Senat ist vollauf beschäftigt.«
»Das verstehe ich natürlich. Genau genommen bin ich auch nicht gekommen, um Sie um einen Ihrer Mitarbeiter zu bitten. Ich möchte nur Ihre Einschätzung eines Diplomaten
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